Kaufmann und Züchter – Baron von Fechtig

Ein Name taucht immer wieder auf, wenn es um die Stammpferde der europäischen Araberzucht geht: Baron von Fechtig. Dabei ist wenig über diesen illustren Kaufmann bekannt, der Original-Araber aus dem Orient importierte, die Anfangs des 19. Jahrhunderts die Zucht in vielen europäischen Gestüten maßgeblich beeinflußt haben.

Im Grunde hatte Baron von Fechtig ja badische Wurzeln, denn er wurde 1784 als Ferdinand Fechtig in Freiburg/Breisgau geboren. Sein Vater Ferdinand Johann Fechtig (sen.) war Justizbeamter. Die Ausübung seines Berufes führte ihn später mit samt seiner Familie nach Wien. Für seine Verdienste erhielt er 1813 sein Freiherrndiplom („von Fechtenberg“) – von nun an also nannte er sich Freiherr Ferdinand Johann Fechtig von Fechtenberg. Er stieg innerhalb der österreichischen Justiz bis zum obersten Justizpräsidenten (1829) auf und trat 1834 als Chef der Justizsektion in den Staatsrath; eine Stelle, die er bis kurz vor seinem Tode 1837 bekleidete.

Handel mit dem Orient

Über den beruflichen und persönlichen Werdegang seines Sohns Freiherr (Baron) Ferdinand von Fechtig (jun.) ist wenig bekannt, bis er am 28. Februar 1808 in Triest Therese Gräfin Cassis-Faraone heiratete. Sie stammte aus einer reichen Kaufmannsfamilie aus Triest; ihr Vater war Anton Graf Cassis-Faraone, ihre Mutter Thekla di Gibarra.
Vermutlich war es aufgrund seiner Ehe mit Therese Gräfin Cassis-Faraone, dass Baron von Fechtig Kaufmann wurde. Zumal sein Schwiegervater, einst General-Zollpächter des Beys von Ägypten, sich in Triest in die Handelsniederlassung Balletti, Zaccar & Co. eingekauft hatte, eine Firma die Handel mit Ägypten trieb.
Aufgrund seiner Verbindung in die arabischen Länder – Graf Cassis-Faraoneselbst war in Damaskus geboren, seine Frau stammte aus Ägypten -, entwickelte dieser mit anderen Liebhabern orientalischer Pferde die Idee, unmittelbar im Orient Pferde anzukaufen, um sie in Europa zu veräussern. So zumindest liest man es bei Michael Erdelyi. Doch Anton Graf von Cassis-Faraone starb bereits 1805, ob er seine Idee umsetzen konnte, ist nicht bekannt. Als dann Baron von Fechtig dessen Tochter 1808 ehelichte, dauerte es noch weitere fünf oder sechs Jahre bis die ersten Pferde über das Handelshaus Fechtig nach Europa kamen. Ausgeführt wurde die Idee also letztlich durch Baron von Fechtig, der lt. Erdelyi bereits zuvor zahlreiche Geschäftsreisen nach Aleppo, Damaskus und Kairo unternommen hatte. Der erste solche Pferdeimport aus Kairo kam 1810 oder 1811 in Triest an.
Über die Ankunft der einzelnen Fechtig’schen Transporte und die Anzahl der Pferde, die auf diese Weise ihren Weg nach Europa fanden, gibt es widersprüchliche Aussagen. Der erste Transport mit vier Hengsten soll 1810 oder 1811 in Triest angekommen sein; die Pferde gingen an Fürst Esterhazy und Graf Festetics. Ein weiterer Transport kam dann im April 1812 an. Dieser zweite Transport enthielt den Fliegenschimmelhengst Tajar Or.Ar., den Graf Hunyady für sein Gestüt in Ürmeny für 1500 Ducaten kaufte (siehe AP 3/2015).
Tajar galt als einer der besten Hengste, die Ungarn bis dato sah und war bald über die Grenzen hinweg bekannt. Sein Ruhm und seine Qualität haben sicherlich dazu beigetragen, daß sich Baron von Fechtig einen Namen als Pferde-Importeur machen konnte. Als Beweis der Qualität Tajar’s wird u.a. angeführt, daß der König von Württemberg einen Sohn von ihm, den Schimmelhengst Gemil-Tajar aus der Original-Araberstute Gemil Or.Ar., als Reitpferd kaufte. Auch der Großherzog von Baden und sein Adjutant kauften jeder einen Sohn des Tajar Or.Ar. mit gleichem Namen. Waren zu Anfang vor allem der ungarische Adel an Fechtigs Pferden interessiert, so gehörten bald auch die Könige von Württemberg und Bayern und der Kaiser von Österreich zu seinen Kunden.

Königliche Kunden

Graf Hunyady kaufte zusammen mit dem oben erwähnten Fliegenschimmelhengst Tajar Or.Ar. auch den goldbraunen Hengst Saffir Or.Ar. und zwei Stuten, Gemil Or.Ar. und Troitti Or.Ar., die mit dem zweiten Transport ankamen. Noch in Triest lies Baron von Fechtig einen Hengst namens Mezahar Or.Ar., der ebenfalls in diesem Transport war, die Stute Gemil Or.Ar. decken, woraus im folgenden Jahr im Gestüt Ürmeny ein Stutfohlen fiel. Der Mezahar Or.Ar. aber wurde an König Wilhelm I. von Württemberg (damals noch Kronprinz) verkauft und deckte ab 1815 im kronprinzlichen Gestüt Scharnhausen.
Aus dem dritten Transport des Baron von Fechtig, der um das Jahr 1814 in Triest ankam, kaufte der württembergische Kronprinz den Hengst Emir Or.Ar.. Über den braunen Hengst ist überliefert, daß er von dem Beduinenstamm der Anazé in der Gegend des Libanon gekauft wurde. In Weil angekommen, wurde er erst vom Kronprinz als Reitpferd verwendet bevor er als Beschäler Einsatz fand; er wurde in Weil zum Stammvater des Wagenschlags.
Interessant ist dann aber, daß Baron von Fechtig für die weiteren Transporte wohl nicht mehr selbst in den Orient reiste, um Pferde aufzukaufen, denn Hörmann berichtet: “Erst im Jahr 1815 fing der Herr Baron an, einen Veterinär, welcher mit der französischen Armee unter Napoleon nach Egypten gekommen war, und bei dem Rückzuge derselben zurückblieb, von Aleppo und Damaskus aus in das Innere der von arabischen Stämmen bewohnten Länder zu senden, und die Ankäufe rein arabischer Hengste und Stuten zu besorgen, wovon im Jahr 1816 der erste Transport ankam, und der Anfang des jetzt bestehenden original-arabischen Gestüts [des Baron von Fechtig] beginnt. Bis zum Jahre 1822 besorgte obenbesagter Mann noch mehrere Einkäufe und Transporte.” Und das New Monthly Magazin berichtet: „Es besteht in Europa die fälschliche Ansicht, daß es in den Wüsten Arabiens zahlreiche Gestüte gibt. Ein Züchter besitzt aber selten mehr als 30, höchstens 40 Pferde, die er aufs höchste schätzt und von denen er den genauen Stammbaum kennt. Die jüngsten Kriege und Unruhen haben die Preise dieser Pferde in die Höhe getrieben, so daß ein Hengst der besten Rasse nun 8 bis 10.000 Piaster kostet. Graf Hunyady in Ungarn hat vor kurzem zwei dieser seltenen Tiere erhalten, die in der Nähe von Aleppo durch Vermittlung des Hauses Fechtig gekauft wurden, welches derzeit [1. Februar 1816], einen Transport von 11 Pferden, hauptsächlich Stuten, nach Triest vorbereitet.“
Dieser Transport, der 1816 in Triest ankam, enthielt für Weil die so wichtige Gründerstute Murana I Or.Ar. Diese kam tragend nach Württemberg, denn es ist verzeichnet, daß sie 1817 ein Fohlen vom Hengst Tajar „Hunyadi“ gebar. Daher müssen die importierten Pferde von Triest auf das 650 km entfernte Gestüt Ürmeny des Grafen Hunyady im Komitat Neutra (in der heutigen Slowakei) gebracht worden sein, bevor sie von dort ihre Weiterreise zu ihren neuen Besitzern antreten konnten.

Gründerpferde europäischer Zucht

Collage-600pxZwei Hengste aus diesem Transport von 1816, Siglavy Gidran Or.Ar. und Ebchan Or.Ar. wurden zusammen mit der Stute Tifle Or.Ar. in das ungarische Militärgestüt Bábolna verkauft. Wohin die anderen oben erwähnten Stuten gingen, und wer diese waren, ist leider nicht überliefert. Zwar wird berichtet, daß neben Murana I Or.Ar. noch sieben weitere Stuten nach Weil verkauft wurden – Erdelyi spricht gar von insgesamt zehn bis elf –, diese tauchen aber in den Annalen des Gestüts Weil nicht auf.
1817 trafen dann die beiden Hengste Bairactar Or.Ar. und der braune Tajar Or.Ar. in Stuttgart ein. Die beiden Hengste kosteten zusammen 4500 Ducaten, also weit mehr als der berühmte Fliegenschimmel Tajar, zahlbar in fünf Raten. Doch die Investition hat sich für König Wilhelm I. gelohnt: Der Schimmel Bairactar Or.Ar. vom Stamm Saklawi Djedran sollte zur wichtigsten Säule der Weiler Zucht überhaupt werden (siehe AP 1/2015). Der braune Tajar Or.Ar., ebenfalls ein Saklawi Djedran, wurde über 10 Jahre hinweg intensiv in Weil zur Zucht eingesetzt, dann jedoch an den Herzog von Sachsen-Meiningen verkauft, da seine Nachzucht als zu fein und im Temperament zu schwierig erachtet wurde.
Der Handel mit Kairo schien sich zu lohnen, denn im Monthly Magazine hieß es 1817: „Verschiedene Handelshäuser aus Europa, und seit einigen Jahren das große Handelshaus Fechtig aus Österreich, haben sich in Kairo niedergelassen und machen gute Geschäfte.“ Bald wurde Triest, das eine der führenden Handelsstädte der K.u.K. Monarchie war, zum Umschlagplatz für arabische Pferde, die aus Ägypten und Syrien hier per Schiff eintrafen. Doch so ein Pferdetransport war damals ein risikoreiches Unternehmen, dem auch die Fachwelt große Aufmerksamkeit zollte. So äußerte sich Johann Nikolaus Rohlwes, königlich preußischer Thierarzt im Friedrich-Wilhelm-Gestüt in Neustadt/Dosse 1822 wohlwollend über das Vorhaben: „Es will aber scheinen, daß die arabischen Pferde in der Folge in Deutschland leichter wie vorhin erhalten werden können; denn ich machte vor einigen Jahren die Bekanntschaft eines Reisenden, der sich einige Zeit in Wien aufgehalten hatte und mir erzählte, daß ein Handlungshaus in Triest einen Handlungszweig daraus gemacht, aus Arabien Hengste von der edlen Race bringen zu lassen, von welchen er fünf in Wien gesehen, und dass der Mann, welcher diese Pferde dort verkaufte, versichert habe, dass noch elf davon in Triest ständen. Eine Speculation, die zur Veredlung der Pferdezucht in Deutschland sehr vortheilhaft seyn könnte, wodurch das Anschaffen dieser Pferde mit weniger Kosten und fast gar keiner Gefahr verknüpft wäre, indem der Kaufmann jeden Risico übernimmt.“

Gute Beziehungen mit Bábolna

Ein vierter Transport durch Baron von Fechtig folgte 1819. Die Pferde wurden durch Vereinbarung mit dem damaligen Remontierungs-Inspektor, General Graf von Hardegg, zuerst in das Militärgestüt Bábolna überstellt, um die gestütseigenen Stuten zur Probe mit den neuen Hengsten zu bedecken. Außerdem war hier das Futter billig zu haben und auch der Verkauf der Pferde konnte von Bábolna aus organisiert werden. Doch 1820 machte Graf Hunyady dem Baron ein so vorteilhaftes Angebot, daß dieser die Pferde bis zum Verkauf (wieder) nach Ürmeny stellte.
1821 verkaufte Baron von Fechtig vier Hengste an Graf Palfy, den Saklawy Or.Ar., Schebessian Or.Ar., Koheyl Or.Ar., sowie einen Hengst aus eigener Zucht. Im Tausch erhielt er zwei Höfe in Kirchschlag, etwa 50 km südlich von Wiener Neustadt. Hier errichtete er sein eigenes orientalisches Gestüt, wo er nicht nur selbst züchtete, sondern vermutlich auch seine weiteren Importpferde einstellte, bis diese einen Käufer gefunden hatten.
Im selben Jahr kaufte Weil zwei weitere Stuten von Baron von Fechtig: Es waren dies die Stuten Czebessie I Or.Ar. und Hamdany I Or.Ar., von denen letztere mit einem Stutfohlen namens Sady III bei Fuß in Weil ankam, das zu einer Stammstute des Gestüts werden sollte. Über Hamdany I Or.Ar. ist folgende Beschreibung von Prof. Rueff überliefert: „Grauschimmel, vom Seglawi-Stamm, 14 Faust, 2 Zoll, vom Kaufmann Fechtig in Triest 1821 für das Gestüt erworben; eine edle, schöne Stute, besaß gebundene Schulter und feinen Vorderfußbau; bekam grauen Staar und wurde 1829 getödtet.“ Über ihr Stutfohlen Saady III schreibt Rueff: „Tochter der Vorigen [Hamdany I], aber im Gestüte des Baron Fechtig erzeugt; von einem Araber, Schwarzenberg in Babolna; 1821 in Weil geboren; sie leistete Außergewöhnliches für die Zucht; … sie zeugte 10 Hengste und 8 Stuten.“
Bis zum Jahr 1822 besorgte der obengenannte Veterinär im Auftrag Fechtigs die Transporte aus dem Orient. Mit seinem letzten Transport 1822 kam der Rapphengst Mameluck Or.Ar. nach Triest, und wurde dort vom königlich-württembergischen Oberthierarzt Dr. Hördt in Empfang genommen. Der Rapphengst Mameluck Or.Ar. gehörte dem Stamm Koheilan Adjouz an und war in Anpaarung mit Stuten des Wagenschlags und mit Trakehner-Stuten Begründer des schwarzen Wagenschlags in Weil.
Gudrun Waiditschka
(Fortsetzung folgt)

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AP 3-16 Baron von Fechtig 48-51 (145 Downloads)