Reiten im Land der Bakhtiaren

Lust auf Abenteuer? Dann ist ein Wanderritt im Iran genau das Richtige. Vergessen Sie Ihre Vorurteile über dieses Land – die Gastfreundschaft der deutsch-iranischen Familie, die seit Jahren Wanderitte im Zagros-Gebirge und in Khuzestan organisiert, wird Sie eines Besseren belehren.

Es ist alles so grün hier”, wundere ich mich. Das war bei meinem ersten Besuch im Iran vor 15 Jahren ganz anders. “Ja, wir hatten dieses Frühjahr so viel Regen wie noch nie”, erklärt mir Katharina Ghalavand, als wir den Blick über den Fluß Karoun gleiten lassen. Hier, hoch oben über der Aghili-Schlucht hat die Reitergruppe, die seit rund einer Woche in Khuzestan unterwegs ist, ihr Camp aufgeschlagen. Während die Reiter einen Bootsausflug ins nahegelegene Shushtar machen, genieße ich die Ruhe.
Aghili - Schlucht - IMG_3581

Der Liebe wegen in den Iran

Vor 15 Jahren hatte ich Katharina Ghalavand und ihre Familie kennengelernt, damals begann sie gerade, Wanderritte in der Nähe ihrer Farm im Zagros-Gebirge zu organisieren, auf selbstgezüchteten iranischen Asil-Arabern. Zwischenzeitlich hat Tochter Katayoun in eine iranische Pferdezüchterfamilie eingeheiratet, und so hat das “Unternehmen” Unterstützung erhalten. Heute organisieren die beiden Familien wenigstens zwei Ritte jährlich, einen im Zagros-Gebirge nahe der Farm von Katharina und ihrem Mann Amir, und diesen hier in Khuzestan, wo Katayoun und ihr Mann Shahab leben.
Die Ritte werden mit deutscher Gründlichkeit vorbereitet, denn auch nach fast 30 Jahren im Iran, hat Katharina kaum etwas davon abgelegt – zumindest nicht, wenn es um Pferde geht. Sowohl in ihrer eigenen Pferdezucht, wie auch bei diesen Wanderritten merkt man, dass Katharina als Pferdewirtschaftsmeisterin die nötige Fachkenntnis mitbringt. Und so sind Sättel und Zaumzeuge aus Europa importiert und in guter Ordnung, wird Strecke und Tempo dem Können der Reitergruppe angepasst, und besteht die Möglichkeit, Pferde zu tauschen, sollte sich ein Reiter auf dem ihm zugedachten Hengst nicht wohlfühlen. Und ja, die meisten Pferde sind Hengste, Zuchthengste sogar. “Ich betrachte die Wanderritte als eine Art Leistungsprüfung. Dabei kann ich am besten herausfinden, ob ein Hengst charakterlich und körperlich den Anforderungen gewachsen ist. Ein Hengst, der charakterlich nicht in der Lage, ist in der Gruppe mitzulaufen, oder der im Gebirge den Anforderungen der steilen Gebirgspfade nicht gewachsen ist, wird bei mir auch nicht in der Zucht eingesetzt.”

Angepflockt statt Weidegang

Die charakterliche Eignung kommt nicht nur beim Zusammenspiel mit dem Menschen zum Tragen, sondern auch bei den Pferden untereinander. Sie müssen verträglich sein, denn die Hengste werden am Lagerplatz lediglich an einem 2-3 m langen Seil an einem Haken angebunden, der in den Boden geschlagen wird. So stehen vier bis fünf Hengste im Abstand von ein paar Metern gemütlich beisammen, ohne dass einer auch nur einen Mucks macht oder den Huf hebt. Die für uns undenkbare Haltung wird im Iran häufig praktiziert und bei näherem Hinschauen ist sie sicher der reinen Boxenhaltung vorzuziehen: Die Pferde können sich bewegen und können am Geschehen auf der Farm teilhaben. In dieser Anpflockhaltung werden sie auch gefüttert. Diese Haltungsform ist in ganz Arabien verbreitet, zumindest dort, wo Pferde noch in “traditioneller” Art gehalten werden und stammt aus der Nomadenzeit. Auch damals, bei den Beduinen, mußten die Pferde vor dem Zelt angepflockt warten, bis ihr Reiter sie forderte. Und dass die Nomaden keine Weiden kennen, geht aus ihrer Lebensweise hervor.

Ein rustikales Abenteuer

Am Abend kommen die Reiter aus Shushtar zurück und wir sitzen gemütlich am Lagerfeuer. Der Tisch – oder besser der Teppich, denn im Iran wird auf dem Boden gegessen – ist reich gedeckt mit traditionellem persischen Essen, dafür haben Katayoun und ihre Helfer gesorgt. Es geht rustikal zu auf diesem Ritt, und wer vornehme Lodges mit Dusche am Abend erwartet, der hat sich den falschen Ritt ausgewählt. Hier wird in Zelten und Schlafsäcken übernachtet, und Wasser gibt es im Karoun-Fluß genügend – für so manchen zivilisationsgeschädigten Teilnehmer ist allein schon dies ein Abenteuer. Und auch, einmal einen Araberhengst zu reiten, ist für manche abenteuerlich – so auch für die Teilnehmer der Gruppe aus Österreich, die von zuhause nur Warmblüter kennen. “Aber ich habe mich mit Shimbar gut angefreundet, er ist toll – man darf ihn nur nicht bei jedem Schritt kontrollieren wollen. Einfach gehen lassen, der macht das schon!”, meint Josef.

Migration in die Berge

“Die Vorfahren unserer Pferde – und das liegt nur wenige Pferdegenerationen zurück – haben noch zweimal im Jahr die Berge überqueren müssen, auf ihren Wanderungen vom Sommer- ins Winterquartier und umgekehrt”, erklärt Katharina. “Wir unternehmen diese Ritte auch im Angedenken an Mary Gharagozlou, die diese Geschichten oft erzählt hat. Für sie waren diese Trecks der beste Weg, die Leistung und das psychische Potenzial ihrer Pferde einzuschätzen. Der zweiwöchige Treck ging damals über 300-400 km, von den Niederungen in Khuzestan zum Sommerquartier in der Nähe von Hamadan, auf etwa 1700 m gelegen, wobei Pässe von 3000 m überquert werden mußten. Und so halten wir es auch mit unseren Ritten, wenngleich unser Nomadenritt im Zagros-Gebirge heute ‘nur noch’ über rund 270 km in sieben Tagen geht.”
Die Reiter aus Österreich sind insbesondere beeindruckt von der Trittsicherheit der Pferde – aber das wird auch schon von Fohlenalter an traininert. Wenn Katharina in die Umgegend der Farm ausreitet, nimmt sie die Fohlen und Jungpferde mit. Auf diese Weise werden sie ausgesprochen trittsicher und lernen alle Gefahren “da draußen” von klein auf kennen, wie beispielsweise steile An- und Abstiege, ausgetrocknete Flußbetten und Wasserläufe. Ich selbst kann mich nicht erinnern, jemals ein Pferd geritten zu haben, das so trittsicher war wie die kleine, alte Schimmelstute Roxana, die ich vor 15 Jahren hier bei Katharina geritten habe. Plötzlich wird die Lagerfeuerromantik jäh unterbrochen, als ein Gewitter heraufzieht und jeder schnell in sein Zelt flüchtet.
Am nächsten Morgen kommt langsam Leben in das Camp, das Frühstück wird bereitet und die Reiter kriechen aus ihren Schlafsäcken. Nach einer Katzenwäsche am Fluß und einem reichhaltigen Frühstück wird das Zelt eingepackt und wieder aufgesessen. Der Ritt startet auf seine letzte Etappe am Salz-Fluß Rude Shur entlang, teils durch die wild zerklüftete Vorgebirgslandschaft parallel zum Zagrosgebirge, teils durch Felder, die in frischem Grün erstrahlen. Nach fünf Stunden erreicht die Gruppe den nächsten Lagerplatz in einem Naturschutz-Reservat am Kuoron, umgeben von einer Auenlandschaft, die zahlreichen Vögeln Lebensraum bietet. Reza läßt es sich nicht nehmen, mit den Pferden schwimmen zu gehen, aber offensichtlich hatte das Gewitter am Vorabend an anderer Stelle heftig gewütet, der Fluß führt weit mehr Wasser als sonst und die beiden hatten Glück, nicht von der Strömung mitgerissen worden zu sein. Zum letzten Mal baut die Gruppe ihre Zelte auf, zum letzten mal versammeln sich alle um das Lagerfeuer. Die Männer ziehen ihre Bakhtiaren-Trachten an und steigen nochmals auf die Pferde, um zu zeigen, dass die Araber auch so richtig loslegen können! Ein Folkloretanz, der im Sonnenuntergang und mit ernster Mine vorgetragen wird, leutet den Abend ein.

Iran ist eine Reise wert

Übrigens lohnt es sich, ein paar Tage anzuhängen, um die kulturellen Schätze des Landes zu besuchen. Da wäre zum Beispiel der Imam-Platz in Isfahan, der zu den schönsten Plätzen der Welt zählt, die vielen Moscheen mit ihren türkisfarbenen und blauen Keramikkacheln, die Windtürme in Yazd, der Shaz-deh Garten bei Kerman, die Zitadelle von Bam, ein UNESCO-Weltkulturerbe, und vieles, vieles mehr.
Anfang März ist die beste Zeit, diese Gegend in Khuzestan zu bereisen. “In ein, zwei Wochen wird es hier bis zu 40°C heiß sein, und alles wird gelb, was jetzt noch so schön grün aussieht”, erklärt Katharina. Dann werden auch Katayoum und Shahab ihrer Farm hier in Khuzestan für einige Monate den Rücken kehren und in das Zagros-Gebirge auf die Farm von Katharina ziehen – fast wie die Nomaden früher. Und dann werden auch wieder Pläne gemacht – für den “Nomadenritt” im September.
Gudrun Waiditschka