Die edlen Rosse der Grafen

Wer heute an die polnische Araberzucht denkt, denkt in erster Linie an die Staatsgestüte. Aber in Polen waren es vor dem Ersten Weltkrieg die Privatgestüte, die die Säulen der Zucht darstellten.

Das arabische Pferd wurde bereits 1570 in einer Schrift von A. Mycinski, dem Stallmeister von König Zygmunt August des Jagiellonen, erwähnt. Aber auch wenn der König arabische Hengste in seinen Stallungen hatte, über die Zucht arabischer Pferde sagt dies nichts aus. Bemerkenswert jedoch ist die Abgrenzung von „arabischen Pferden“ zu „türkischen“ und „persischen“ Pferden und anderen östlichen Rassen, was zu dieser Zeit noch keine Selbstverständlichkeit war.
Damals führte Polen an seinen südöstlichen Grenzen zahlreiche Kriege mit den Tartaren und Türken. Auf diesem Wege kamen auch orientalische Pferde ins Land, und die Polen erkannten, dass diese wendigen, ausdauernden Pferde ideal für die weitläufigen Landstriche und die zahlreichen Reiterattacken waren. Daher verwendeten mehr und mehr Gestüte orientalische Hengste, unter denen die arabischen die gesuchtesten waren.


Als die Kriege gegen die Türken aufhörten, wurde auch der Nachschub an orientalischen Hengsten aus dem Osten unterbrochen. Nun mußten die Gestütsbesitzer diese Pferde aus dem Osmanischen Reich beziehen oder gar selbst Expeditionen nach Kleinasien zum Pferdeankauf entsenden. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wurden dann auch die bedeutenden Gestüte Biala Cerkiew (Familie Branicki), Slawuta (Familie Sanguszko), Taurow (L. Trzeciak) sowie Jarczowce und Jezupol (Familie Dzieduszycki) gegründet. Eine zweite „Welle“ von Gestütsgründungen erfolgte im späteren 19. Jahrhundert mit Antoniny (Familie Potocki), Gumniska (Familie Sanguszko), Ptakow (A. Kopec) und Pelkinie (W. Czartoryski).

Ankäufe direkt im Orient
Einen der ersten größeren Ankäufe von Pferden im Orient tätigte Oberst Obodynski, der zu diesem Zweck nach Konstantinopel reiste. Dort kaufte er Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts Pferde, erst im Auftrag Szczesny Potockis, später baute er seine Handelsbeziehungen aus und importierte Pferde für ganz Polen und Europa. Im Jahr 1803 begab sich der Stallmeister des Gestüts Slawuta, Kajetan Burski, nach Konstantinopel. Dort aber fand er keine Pferde der gewünschten Qualität und begab sich in das Innere Syriens, was zu der damaligen Zeit noch ein großes Abenteuer war und mit zahlreichen Gefahren verbunden. Aber die Reise lohnte sich: In der Nähe von Aleppo kaufte er fünf Araberhengste, die er sicher nach Hause brachte. Dieser Erfolg machte auch anderen Gestüten Mut, und so reiste Stallmeister Tomasz Moszynski in den Jahren 1816-1818 in die Gegend von Damaskus und brachte neun Hengste und eine Stute nach Slawuta – bis 1872 importierte das Gestüt insgesamt 55 Hengste und sieben Stuten.
Nicht vergessen werden darf in dieser Aufzählung Graf Waclaw Rzewuski, der 1817 in den Orient aufbrach, um arabische Pferde zu kaufen. Er blieb zwei Jahre in Arabien, kaufte Pferde für den russischen Zaren Alexander I., für Königin Katharina von Württemberg und für sich selbst. Insgesamt kam er mit 137 Original-Arabern zurück. Später war er am Novemberaufstand von 1830 beteiligt, als er eine Division in der Schlacht von Daszow befehligte. Er wurde unter mysteriösen Umständen getötet, sein Gestüt wurde geplündert, die Pferde in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Kaum eines, das der Zucht erhalten geblieben wäre.
Den größten Einfluß für Polen aber hatte der Import von Juliusz Dzieduszycki, Besitzer des Gestüts Jarczowce, der 1843-45 eine Expedition nach Arabien organisierte und neben sieben Hengsten vor allem die drei Stuten Gazella, Mlecha und Sahara importierte, die alle drei noch heute existierende Linien begründet haben.

Rennbahn und Ausstellungen
Hand in Hand mit der Zucht ging auch die Leistungsüberprüfung, erst im Krieg, dann auf der Jagd und ab 1850 auf der Rennbahn. Die Brüder Branicki organisierten dieses erste Araberrennen. Ein formaler Zuchtverband für arabische Pferde, der diese Rennen wieder aufgriff, wurde jedoch erst 1926 gegründet. Zwischenzeitlich wurden die Pferde auch auf „Schauen“ gezeigt. Sie feierten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf den großen Pferdeausstellungen Erfolge, sei es die Weltausstellung in Paris 1867 mit Iskander Pascha aus Slawuta, die Stutenherde aus den Gestüten Slawuta und Jarczowce anläßlich der Weltausstellung 1873 in Wien oder die Stute Melpomena, die in Paris 1900 die Goldmedaille holte – überall erregten sie Aufsehen. Auch fanden sie ihren Weg ins Ausland, wo sie andere Zuchten maßgeblich beeinflußten. Ein Beispiel ist Van Dyck aus Biala Cerkiew, der nach Spanien verkauft wurde. Und natürlich gehört hier auch Skowronek aus Antoniny genannt, der, nach England verkauft, die dortige Zucht im Gestüt Crabbet Park maßgeblich beeinflußte. Pferde aus Slawuta – Lenkoran und Ilderim, jeweils Söhne ihrer gleichnamigen Väter – gingen auf den Balkan. Auch die Branickis verkauften zwei Hengste und zwei Stuten nach Inoncenzdvor und verschiedene Pferde gingen bereits Mitte des 19. Jahrhunderts nach Russland, wo sie in der „Streletsker“ Zucht eingesetzt wurden, die später die „Tersker Rasse“ begründete. Biala Cerkiew exportierte 1864 sogar rund 100 Pferde in die Türkei, die ins Gestüt des türkischen Sultans Abdul Aziz gingen! Man sieht, das arabische Pferd war bereits im 19. Jahrhundert sehr international vertreten, der Blutaustausch funktionierte auch damals schon.

Der Erste Weltkrieg
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs hat die aufblühende polnische Araberzucht natürlich stark betroffen und dezimiert. Aber da diese Rasse bei vielen Privatzüchtern in großer Zahl gezüchtet wurde, konnte man die Verluste auch verhältnismäßig rasch wieder ausgleichen. Gleichzeitig entstand neben den Privatgestüten im Jahr 1919 in dem seit 1817 bestehenden Staatsgestüt Janow Podlaski eine stattliche Araberzucht.
Gudrun Waiditschka

In den nächsten Ausgaben wollen wir Ihnen die wichtigsten Privatgestüte bis zum Ersten Weltkrieg näher vorstellen.