Wie oft hört man, dass früher alles besser war und es wird von „der guten alten Zeit“ geschwärmt – und ja, ich denke in vielen Bereichen der Pferdezucht war der „Fortschritt“ nicht immer zum Besten der Rasse, denn:
Früher hatten wir eine große Typenvielfalt in der Araberzucht, heute ist die Blutführung durch den Einsatz von wenigen Modehengsten reduziert und die Pferde müssen einem „modernen Standard“ entsprechen, der von einigen wenigen (Richtern) festgelegt wird.
Früher war es normal, dass man Araber geritten hat und es mußte jeder Hengst eine Hengstleistungsprüfung ablegen, heute sind Araber vielfach nur „Dekoration“, man erfreut sich an ihrer Schönheit aber die Vorfahren dieser Pferde haben oftmals seit drei und mehr Generationen keinen Sattel gesehen.
Früher waren Veranstaltungen für die Züchter und solche, die es werden wollten, heute sind Shows für die High Society oder solche, die sich dafür halten.
Aber es gibt auch eine Gegenbewegung. So hat man im VZAP begonnen, die Hengst- und Stutenlinien in der Online-Datenbank einzupflegen – so wie es in den alten Stutbüchern bereits vorhanden war. Damit hat der Züchter einen Anhaltspunkt, ob sein Pferd einer häufigen Hengstlinie (Saklawi I) oder einer seltenen angehört (alle anderen…). Diese Hengst- und Stutenlinien weisen zwar per se keine Typenvielfalt aus, aber sie geben eine Hilfestellung, um einer Verengung der Blutführung entgegenzuwirken.
Die Hengstleistungsprüfungen werden zwar angeboten aber nicht angenommen. Dennoch gibt es Hengste, die unter dem Sattel sind und auch etwas „zu bieten“ haben. Das konnte man bei den herrlichen Schaubildern in Kranichstein sehen, wo Hengste aus dem Bereich klassisch, Western, Working Equitation und Distanzsport zu sehen waren. Und immer häufiger gibt es Käufer und Züchter, die vermehrt nachfragen, ob denn der Deckhengst, seine Nachkommen, oder seine Eltern oder Geschwister ihre Rittigkeit unter Beweis gestellt haben.
Die High Society Shows sind – zumindest was die deutsche Beteiligung anbelangt – auf einem Tiefpunkt angelangt, denn nicht ein einziges deutsches Pferd war beim All Nations Cup angetreten und das National-Championat war zahlenmäßig so gering beschickt, wie noch nie. Dafür gibt es aber zaghafte Versuche, eine Art „Beständeschau“ zu etablieren, wie beispielsweise auf der Kauber Platte. Auch die Verbandshengstschau / Körung, wie sie dieses Jahr in Kranichstein stattfand, könnte in diese Richtung ausgebaut werden.
Mit unserer ausführlichen Berichterstattung zu diesen „altmodischen“ Veranstaltungsformaten wollen wir beitragen, dass sich langsam aber sicher das Bewußtsein wieder ändert und wieder vermehrt gerittene Hengste eingesetzt werden. Denn Aufklärung und alternative Veranstaltungsangebote sowohl für Züchter als auch für Käufer, ist der einzige Weg aus der Sackgasse.
Gudrun Waiditschka
Nov. 20 2024