Die Show-Richter – unter der Ägide der ECAHO – haben über die Jahre einen ganz eigenen Pferdetypus mit extremen Merkmalen (engl. hypertype) favorisiert und nach vorne gestellt. Gleichzeitig erfolgte damit eine Entwertung der „alten Typen“, die auf den hinteren Plätzen landen, bzw. gar nicht mehr antreten. Wer beiden Gruppen gerecht werden will, darf sich auf keine Kompromisse einlassen.
Zuchtverbände tun sich heutzutage schwer, ein Veranstaltungsformat für alle Züchter zu finden, denn die Interessenslage liegt oft weit auseinander: Die einen wollen Glamour-Shows, die anderen eine bodenständige Zuchtbeurteilung. Der VZAP hat zumindest erkannt, dass die ECAHO-Shows zur Beurteilung von Zucht- und Gebrauchspferden nicht (mehr) geeignet sind. Und so versucht man, zumindest auf den vom Verband ausgerichteten Veranstaltungen, wieder etwas mehr „hippologische Fachkenntnis“ einzuführen. Das klappt ganz gut auf den VZAP-Stutenprämierungen oder bei der Körung und Verbandshengstschau. Auch private Veranstaltungen, wie das (verbandsunabhängige) Kauber Platte Festival, lehnen mittlerweile eine ECAHO-Anerkennung ab und gehen eigene Wege: Hier werden die Pferde an der Hand und im Freilauf anhand von acht Kriterien beurteilt, die drei Richter besprechen sich und einigen sich auf eine Note, das Ergebnis wird anschließend fachkundig kommentiert. Annähernd das gleiche Format hat auch das Nationale Championat in Aachen. Es ist aber nicht (nur) das Richtsystem, sondern es sind vor allem die Richter, die bestimmen, wohin die Reise geht – in Richtung einer hippologischen Beurteilung oder in Richtung der modernen Show.
Keine Veranstaltungszwitter
„Allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann“ – den Wahrheitsgehalt dieses Sprichworts konnte man deutlich beim Deutschen Nationalen Championat in Aachen erkennen: Auf der einen Seite versuchte man mit dem neuen Format (seit 2023 mit Freilauf, 7 Kriterien) die eher konservativ ausgerichteten Züchter anzusprechen. Mit dem Austragungsort „Aachen“, eingebettet in Glamour und VIP-Tische, und mit einem „modernen“ Richtergremium aus hochkarätigen ECAHO-Show-Richtern versuchte man, die eher modern ausgerichteten (Show-)Züchter anzusprechen. Es entstand ein Zwitter, der keiner der beiden „Richtungen“ gerecht wurde, was sich dann auch in geringen Nennzahlen bemerkbar machte. Also wurde herumtelefoniert, wer noch ein paar Pferde bringen könnte – Nayla Hayek brachte sechs hochkarätige Show-Pferde, das Haupt- und Landgestüt Marbach drei Mutterstuten aus der Erhaltungszucht, damit war die Schau zumindest zahlenmäßig gerettet, wobei dennoch mit 18 Pferden ein Tiefpunkt in den Starterzahlen erreicht ist. Zum Vergleich: Am kleinen regionalen Kauber Platte Festival waren es 20 Teilnehmer.
Was die Richter unter einem „modernen Show-Pferd“ verstehen, wurde dann auch eindrücklich in der Klasse der 8-jährigen und älteren Stuten demonstriert. Schauen wir uns hierzu die Noten der Siegerin und späteren Championesse Aaida Al Shaqab an, sowie die von den drei Marbacher Stuten, die sowohl am Kauber Platte Festival als auch am Nationalen Championat gestartet waren, und vergleichen wir die Noten in der Tabelle:
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Es ist augenfällig, wie viel höher das „altmodische“ oder dem „klassischen Typ“ zugeneigte Richtergremium in Kaub, bestehend aus der Zuchtleiterin Anja Daniels, Walter Kampmann und Dr. Ulrike Weckenmann, den Typ, aber auch Kopf & Hals und das Gebäude der Marbacher Stuten einstufte. Und wie gleichzeitig das „moderne Richterteam“ in Aachen, bestehend aus Sylvie Eberhardt, Anna Stojanowska und Helen Hennekens, den modernen Hypertyp favorisierte und die klassischen Typen nach hinten stellte.
Richter bestimmen die Zucht
Es ist eine Binsenweisheit, dass es die Richter sind, die die „Richtung“ vorgeben, in die sich unsere Zucht entwickelt. Daher ist die Richterauswahl für eine solche Veranstaltung auch so eminent wichtig. Der VZAP sollte sich dringend darüber klar werden, welche Richtung er für sein Nationales Championat gehen will: „Moderne Show-Richter“ verprellen die Züchter des klassischen Typs und umgekehrt – der oben beschriebene Zwitter wird nicht funktionieren und damit wird die Veranstaltung trotz geänderten Rahmenbedingungen letztendlich scheitern.
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Zwei Veranstaltungsformate
Nun besteht aber die Züchterschaft aus verschiedenen „Fraktionen“, denen ein Verband Rechnung tragen muß – das ist leicht einzusehen. Daher besteht für mich die einzige Lösung zu diesem Problem darin, zwei verschiedene Veranstaltungen auszurichten – die gerne auch nur jedes zweite Jahr alternierend stattfinden! Also in „geraden“ Jahren ein Nationales Championat in Aachen mit den klassischen 5 Kriterien und ausgewiesenen „ECAHO-Show-Richtern“, in den „ungeraden“ Jahren ein Nationales Championat an einem anderen Austragungsort (z.B. Kranichstein) nach obigem Modell und ausgewiesenen „Verbandsrichtern“, wie sie auch für die Verbandshengstschau, Körung, Stutenprämierungen etc. eingesetzt werden. Dieses Programm sollte für 10 Jahre festgeschrieben werden, sodass für die Züchter eine gewisse Planungssicherheit besteht. Auch bedarf es einer Mindestzahl an Pferden, die ebenfalls festgeschrieben ist und bei deren Nichterreichung die Veranstaltung abgesagt wird. Nach den 10 Jahren kann man vielleicht erkennen, in welche Richtung die Reise geht.
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Nicht nur in Deutschland
Dass Deutschland mit dem Problem „modern vs. klassisch“ nicht alleine dasteht, zeigt auch das Beispiel aus der Schweiz. Hier wollte man bereits vor 28 Jahren mit der Beständeschau (11 Kriterien, Freilauf) einen Gegenpol zur herkömmlichen „Show“ etablieren. Das Reglement wurde jedoch im Lauf der Zeit immer weiter „aufgeweicht“. Dieses Jahr ließ dann eine kleine Gruppe von Züchtern die Muskeln spielen, denn die eingeladenen Richter waren ihnen nicht genehm – Richter, die erfahrene Züchter und Ausbilder sind, und sicher die nötige hippologische Fachkenntnis aufweisen, die zur Beurteilung von Zucht- und Gebrauchspferden nötig ist. Die Kritik aber war: Man will „moderne“ Richter, die regelmäßig ECAHO-Shows richten, und somit wissen, „was der Markt will“. Die Crux an der Geschichte – ohne die Pferde dieser „modernen“ Züchter würde die Schau wegen mangelnder Teilnehmer nicht stattfinden können und so ist der Vorstand eingeknickt. Die „altmodischen Richter“ wurden ausgeladen und stattdessen ECAHO-Show-Richter eingeladen. Auch hier kann man nur dazu raten, sich ein langfristiges Schema „Show vs. Beständeschau“ zu überlegen. Für die kleine Schweiz mit nicht einmal 20 Fohlen pro Jahr ist es verständlicherweise schwierig, jedes Jahr eine Schau zu füllen, weil einfach die jungen Jahrgänge fehlen. Daher wäre auch hier eine alternierende Veranstaltungsreihe eine mögliche Lösung.
Polarisierung der Züchter?
Man kann nun anführen, dass zwei verschiedene Veranstaltungen für die beiden Gruppen zur Polarisierung der Züchterschaft führen. Ich sehe das anders, denn die Polarisierung hat in weiten Bereichen der Gesellschaft bereits stattgefunden, so auch in der Pferdezucht. Man denke nur an die Dressurpferdezucht, wo der Hypertyp in überbeweglichen und verschleißanfälligen Pferden besteht. Auch in der Hunde- und Katzenzucht kennt man diesselbe Diskussion. Ob man will oder nicht, man muß beiden Bereichen Rechnung tragen, denn es ist eine Investition in die Zukunft der Rasse, dass diese „klassischen Typen“ erhalten werden. Schon jetzt hört man hier und da den Ruf nach einem „Verstärkerhengst“ – die Show-Pferde sind zu fein geworden, man braucht wieder kräftigere Fundamente. Woher aber nehmen, wenn solche Typen nicht mehr gezüchtet werden?
Gudrun Waiditschka