Editorial – Verpasste Chance

Das deutsche Nationale Championat mußte also wegen zu geringer Nennungen abgesagt werden. Sicherlich ein schwerer Schritt für den Veranstalter (VZAP), aber was wäre die Alternative? Wieder – wie letztes Jahr – um die Pferde einer Schweizer Züchterin betteln? Ja, ihre Pferde sind im deutschen Stutbuch eingetragen und damit startberechtigt, aber wollen wir wirklich – wie letztes Jahr – die Schweizer Nationalhymne am deutschen National-Championat hören?

Dass kaum mehr ein deutscher Züchter auf eine Schau bzw. Show geht – und das National-Championat ist da ja keine Ausnahme – hat viele Gründe. Zum einen waren früher an den Schauen vor allem die Junioren-Klassen gut besucht. Wenn aber immer weniger Pferde gezüchtet werden, gibt es auch immer weniger potentielle Teilnehmer an diesen Junioren-Klassen. Zum anderen gab es einige handwerkliche Schwächen in der Ausschreibung, so wurde dieses Championat im Rahmen des ANC-Wochenendes auf Donnerstag gelegt. Das erscheint höchst unglücklich und hat schon in früheren Jahren zu massiver Kritik geführt, denn wer von der „arbeitenden Bevölkerung“ kann und will sich 2-3 Tage mitten in der Woche freinehmen, um an solch einer Veranstaltung teilzunehmen, wo man zudem das Gefühl hat, nur ein „Anhängsel“ des ANC zu sein? Und auch die Richterwahl halte ich nicht für glücklich: Wer von den deutschen Züchtern kennt bitte Alaa Hammad aus Bahrain oder Jassim Al Mesbah aus Kuwait und kann deren fachliche Kompetenz einschätzen? Wer aber (gefühlte) No-Names einlädt, muß sich nicht wundern, wenn sich diese nicht als Zugpferde herausstellen. Und dann sind da noch die Kosten: nur für das Pferd fallen 270 € Nenn- und Boxengeld an, mit der Aussicht, eventuell 300 € an Preisgeld zu gewinnen – rechnet sich das?

Bereits vor einem Jahr (AP 3/2024 „Modern vs. klassisch“) hatte ich geschrieben: „Zuchtverbände tun sich heutzutage schwer, ein Veranstaltungsformat für alle Züchter zu finden, denn die Interessenslagen liegen oft weit auseinander: Die einen wollen Glamour-Shows, die anderen eine bodenständige Zuchtbeurteilung.“ Und als Fazit: „Daher besteht für mich die einzige Lösung zu diesem Problem darin, zwei verschiedene Veranstaltungsformate auszurichten.“

Nun wurde genau dies 2025 umgesetzt und nach der Absage der „Glamour-Show“ (aka Nationales Championat) in Aachen wird also das „Arabische Wochenende“ des VZAP Ende Oktober in Kranichstein zum Prüfstein für die Züchterschaft. Mit der Körung / Verbandshengstschau, der Althengstpräsentation, dem VZAP-Zuchtchampionat und den diversen Distanzritten ist es eine echte Alternative zur „Show“, zumal auch das Richtsystem ein anderes ist und den Schwerpunkt auf Gebäude, Gängen und Gesamtharmonie legt. Mit dieser Veranstaltung macht der Verband den Reitpferde-Züchtern ein Angebot, während die Showpferde-Züchter das Nationale Championat in Aachen hatten. Wer diese Angebote nicht annimmt, hat seine Chance verpasst – und bei den Showpferde-Züchtern ist dies bereits geschehen.

Die Absage ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass „Glamour-Shows“ hier in Deutschland – und in großen Teilen Europas – schon seit langem ihre Wertigkeit verloren haben … Der Show-Zirkus ist weitergezogen in den Mittleren Osten und wird sicher auch in China auf fruchtbaren Boden fallen. Wir hier sollten uns auf unsere alten Werte und Traditionen besinnen – das, was Europa schon seit 200 Jahren am besten kann: (arabische) Reitpferde züchten.

Gudrun Waiditschka