In der Distanzritt-Saison 2016/2017 sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten schon wieder zwölf Pferde während der Ritte gestorben. Das muss ein Ende finden!
(Ergänzte Version unseres früheren Beitrags „Distanzsport im Mittleren Osten“)
Nach all den Negativ-Schlagzeilen, die wir in unseren letzten Ausgaben über den Distanzsport hatten, wollte ich endlich einmal etwas Positives über diesen Sport schreiben, weil es ja tatsächlich ein schöner und pferdegerechter Sport ist, wenn er richtig und mit Pferdeverstand ausgeübt wird. Aber die neuerlichen Ereignisse in den UAE haben einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Der Tod im ersten Loop
Seit Beginn der „Middle East-Saison“ im Oktober 2016 sind nicht weniger als 12 Pferde während eines Rennens gestorben, acht davon starben im Loop 1!
Beim CEN 100 km HH Sh. Mohammed bin Rashid Al Maktoum Endurance Ride for Ladies am 4. Januar, hatte der „Al Nasr – 2 Endurance Stable“ 19 Pferde am Start, und alle wurden eliminiert: Zwei Pferde starben, vier waren lahm, eines fiel aus metabolischen Gründen aus, zwei waren „außerhalb der Zeit“, und 10 wurden von ihren Reitern zurückgezogen. Das kann man nicht mehr als „tragische Unfälle“ erklären. Nach dem achten Opfer sagte ein FEI-Sprecher: „Die FEI ist sehr besorgt, dass es diese Saison während der Ritte in den UAE eine Anzahl von Todesfällen gab… Die CIs (Catastrophic Injuries, Todesfälle) fanden alle im ersten Loop statt, das legt nahe, dass es sich um bereits bestehende Frakturen [Fissuren] handelte, und dass es hier ein ernstes Problem mit den Trainingsmethoden gibt…“ Auch FEI Endurance-Direktor Manuel Bandeira de Mello sagte: „Die… beiden Todesfälle während eines nationalen Rittes (CEN) am 23. Januar sind sehr besorgniserregend, und man muß dringend die Ursachen aus tierärztlicher und wissenschaftlicher Sicht untersuchen. Es ist klar, dass die Pferde übertrainiert werden und dies vermutlich der Hauptgrund ist, auch ist es wichtig, dass Ruheperioden respektiert werden.“
Während die FEI versucht herauszufinden, was die Ursachen für die CIs sind, legt sie auch großen Wert auf Regeln und Weiterbildung, und veranstaltet Seminare für Reiter, Trainer, Besitzer und Tierärzte. Aber erreicht diese Information wirklich diejenigen, die sie bräuchten? So lange dieses Bildungsprogramm nur Seminare enthält, die man „absitzen“ kann, aber keine Tests beinhaltet, bei denen man bestehen oder durchfallen kann – mit entsprechenden Konsequenzen -, wird nicht viel damit erreicht werden.
Die Schilderung einer betroffenen Reiterin aus Belgien, gibt einen Einblick in die Ursachen dieser „Unfälle“: „Letzten Donnerstag fragte mich ein Team, aber nicht dasjenige, für das ich arbeite, Shareef in einem privaten Rennen [d.h. Rennen für Privatbesitzer] zu reiten. Das Ziel war lediglich, das Rennen [in Wertung] zu beenden. Im ersten Loop, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 22 km/h, bei Kilometer 39, stolperte Shareef zufällig und fiel auf mich. Ein Bruch des Vorderbeins wurde diagnostiziert…“ Daraus läßt sich folgendes schließen: Die Reiterin kannte das Pferd nicht, hatte es nicht selbst trainiert und wußte nicht ob es ggf. Medikamente erhalten hatte. Ein verantwortungsbewußter Reiter würde sich für einen derartigen Einsatz nicht hergeben. Abgesehen davon wurde das Pferd erst vier Tage vor dem Ritt auf seinen neuen Besitzer bei der FEI registriert.
Distanzreiten in UAE
Es gibt drei Zentren für Distanzritte in den UAE, das DIEC (Dubai International Endurance City) in Dubai von Scheich Mohammed al Maktoum, Al Wathba in Abu Dhabi von Scheich Mansoor Bin Zayed Al Nahyan und Bouthieb von Scheich Sultan Bin Zayed Al Nahyan, ebenfalls in Abu Dhabi. Bei weitem die meisten CI’s passierten im DIEC, wo insgesamt auch die meisten Ritte abgehalten werden (in der Saison 2016 / 2017 in DIEC 31 Ritte, in Al Wathba 20, in Bouthieb 12). In Bouthieb wird nun in der zweiten Saison nach den sogenannten „Bouthieb-Regeln“ geritten, was eine „Geschwindigkeitsbegrenzung“, strengere Erholungswerte und (neu) natürliche Wegführung beinhaltet (mehr dazu siehe S. 43); seither gab es hier keine Todesfälle.
Verbände schreiben an die FEI
Zahlreiche Distanzreiter-Verbände aus Europa (Großbritannien, Schweiz, Norwegen, Schweden und Dänmark) haben ihren Reitern verboten, in den UAE zu reiten, die Belgier legen es ihren Reitern nahe. Auch der Vorstand des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiterei (DOKR) hat beschlossen, bis auf Weiteres deutschen Reitern keine Startgenehmigungen mehr für internationale Distanzritte in Dubai zu erteilen. Sollten deutsche Reiter an nationalen Ritten in Dubai teilnehmen, behält sich das DOKR vor, diese künftig nicht mehr für Championate oder Bundeskader zu nominieren. Außerdem fordert der Vorstand deutsche Veranstalter von Distanzritten auf, keine Reiter mehr aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einzuladen. Diese Beschlüsse werden vom Präsidium des Vereins Deutscher Distanzreiter und -fahrer (VDD) ausdrücklich unterstützt.
Auch die USA und Australien haben reagiert. Der Präsident der AERC, Michael Campell, verlangt in seinem Brief „dass die Distanzreiter in Dubai bis auf weiteres von allen Distanzritten suspendiert werden, bis die FEI die Ursachen für diese Todesfälle herausgefunden hat, und geeigente Maßnahmen von den Dubaier Distanzreitern dagegen unternommen wurden.“ Er fährt fort, dass „dieses ständige Versagen ein sehr schlechtes Licht in der Öffentlichkeit auf alle Pferdefreunde, und insbesondere auf die Distanzreiter wirft.“
Natürlich ist das Verbot für die internationalen (ausländischen) Reiter, die dann nicht mehr in Dubai starten können, eine (finanziell) schmerzliche Auflage, aber diese sollten sich bewußt werden, dass sie durch ihre Teilnahme das Rad am laufen halten, und damit den gesamten Sport in Miskredit bringen – unabhängig wie gut (im Sinne von pferdegerecht) sie selbst reiten oder nicht. Denn es ist zu einer nützlichen Taktik geworden, ausländische Reiter – samt ihren Pferden – zum H.H. Sh. Mohammed Bin Rashid Al Maktoum Endurance Cup einzuladen, einem 160 km-Ritt mit einem Preisgeld von 8,8 Mio AED (2,25 Mio €). Unter den TOP TEN werden 4,7 Mio AED aufgeteilt (d.h. ca. 47.000 € für jeden), und alle weiteren, die den Ritt in Wertung beenden, erhalten je 25.000 €. Dieses Jahr haben 15 Reiter aus 12 europäischen Ländern von diesem Geldregen profitiert, davon waren zwei aus Deutschland. Aber das ist nicht genug: Drei der europäischen Pferde hatten ein Einweg-Ticket gebucht, und wurden in der UAE an den Distanzstall „M7 Stables“ verkauft, unter ihnen Sharouk, ein 10jähriger Partbred-Wallach von Normativ ox, erfolgreich auf Platz 51 an diesem Ritt geritten. „M7 ist der Elite-Stall in Dubai und es ist eine große Ehre ein Pferd dorthin zu verkaufen“, gab die Ex-Besitzerin in einem Facebook Beitrag bekannt.
Einladung mit Hintergedanken
Es ist klar, dass diese Einladungen mehreren Zielen dienen: Erstens, die UAE kann damit zeigen: „Seht her, all die erfolgreichen Reiter aus dem Ausland kommen zu uns, und unterstützen uns in unseren Zielen!“ Zweitens, kaum einer der eingeladen wird, wird es wagen, schlecht über den Ritt zu reden, egal wieviel Pferde dort sterben, denn sie wollen wieder eingeladen werden. Drittens, mit einer Option auf 25.000 € Preisgeld bei erfolgreicher Beendigung des Rittes, werden diese Reiter nicht schnell genug reiten, um der Spitze gefährlich werden zu können. Viertens, die besten Pferde können von den UAE-Ställen gekauft werden. Eine „win-win-Situation“. Außer für die Pferde, die sind die Verlierer.
Den Sumpf trockenlegen
Aber der Sumpf ist noch viel tiefer: Unter denen, die davon profitieren, dass sie Pferde in die UAE verkaufen, sind auch Funktionäre der nationalen Distanzreiter-Verbände. Daher ist es keine Überraschung, wenn gewisse Länder sich geradezu weigern, ähnliche Briefe wie die Australier und die US-Amerikaner zu verfassen, und sich lieber ganz ruhig verhalten anstatt die FEI zu drängen, schärfere Regeln zu erlassen.
Es ist ganz klar, jeder der ein Pferd an einen Stall in Dubai verkauft, ist mitschuldig an dieser Misere, denn er sorgt dafür, dass sich das Rad weiterdreht. Alle 80 Pferden, die den obengenannten 160-km-Ritt erfolgreich beendet haben, wurden im Ausland gezüchtet: Aus Frankreich kamen 25, aus Südafrika 14, Australien 9, Urugauy 6, und aus Argentinien, Botswana, die Tschechische Republik, Spanien, Großbritannien, Deutschland, Italien, Namibia, Neuseeland, Polen, Portugal, Russland, Slovakien, Schweden, Tunesien und die USA jedweils ein bis drei. Es ist durchaus ein gutes Geschäft, selbst wenn die Preise für das einzelne Pferd nicht astronimisch hoch sind, so ist es die Gesamtzahl an Pferden die zählt. Und seien wir doch ehrlich: Für jedes Pferd, das stirbt, oder nicht mehr einsatzfähig ist, braucht es einen Ersatz, denn die UAE züchtet kaum eines ihrer Distanzpferde selbst. Also, welcher Verkäufer hätte ein Interesse daran, dass man den Ast absägt, auf dem er sitzt?
Schlechtes Image des Distanzsports
Kein Zweifel, es gibt sehr viele Distanzreiter, die es abstoßend finden, was im Mittleren Osten abläuft – aber was können sie tun? Erstens, sie können ihren Distanzreiter-Verband bzw. FN auftragen, einen Brief zu schreiben. Dies ist bereits in vielen Ländern geschehen. Nun kann man argumentieren, dass ein Brief ja nicht viel hilft, aber es ist eine Absichtserklärung, die dringend nötig ist, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man nicht damit einverstanden ist, was dort passiert, und um mehr Druck auf die FEI auszuüben, dass diese schnellstmöglichst nach einer dauerhaften Lösung sucht. Zweitens, der Distanzreiterverband/FN hat die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass die eigenen Reiter nicht mehr nach Dubai reisen, denn sie werden für Werbezwecke mißbraucht. Und drittens, wer um das Wohlergehen seines Pferdes besorgt ist, verkauft kein Pferd nach Dubai (oder an die meisten anderen Distanzställe im Mittleren Osten).
Last not least, ist es aber an der FEI endlich entschlossen zu reagieren. Wo das Ego danach dürstet, von der Welt als die „Nummer 1 im Distanzsport“ bewundert zu werden, kann ein Ausschluß von der Teilnahme an den großen Meisterschaften und anderen internationalen Ritten Wunder wirken. Auch hätte „die Distanz-Welt“ ein klares Zeichen gesetzt, dass diese Machenschaften nichts mir ihrem Sport zu tun haben. Das mag vorerst keinem Pferd helfen, denn sie werden weiter auf Ritten in Dubai auf der Strecke bleiben. Auch soll das nicht dazu auffordern, die Angelegenheit zu vergessen. Im Gegenteil: Jeder einzelne Fall muß weiterhin thematisiert werden. Aber ein Teilnahmeverbot an Weltmeisterschaften oder internationalen Ritten außerhalb der UAE würde weh tun. Und wenn dann die Veranstalter bei uns jammern, dass ihnen das Sponsoring aus dem arabischen Raum fehlt, dann ist das der Preis den wir alle zahlen müssen, um diesen Mißständen ein Ende zu machen.
Das mag sich jetzt alles naiv anhören, aber es ist allemal besser, als die Hände in den Schoß zu legen, die Verantwortung auf die anderen zu schieben, und darauf zu warten, bis das nächste Pferd stirbt. Wir müssen es wenigstens versucht haben.
Gudrun Waiditschka
AP-1-17-Distanzsport-UAE.pdf (2054 Downloads ) |
Lesen Sie dazu auch den 2. Teil: Distanzsport am Scheideweig (II) – Die Bouthieb-Initiative in Abu Dhabi