Bairaktar – erst verkannt, dann verehrt

“Bairaktar war die Krone des Gestüts, ein eminentes Thier, dessen Nachkommenschaft unerreicht dasteht. Der König benutzte ihn eine Zeit lang als Reitpferd, da man von seiner Productionskraft noch keine vollgültigen Beweise besass; als man sich jedoch hievon überzeucht hatte, wurde er fortan als Beschäler benutzt und so lange beibehalten, als es seine Kräfte gestatteten.“

Bairactar - Litho unbekannt-600px
So liest man über den Original-Araber-Hengst Bairaktar Or.Ar. posthum in den Gestütsanalen und tatsächlich war Bairaktar – der Name bedeutet „der Fahnenträger“ – rückblickend ohne Zweifel der bedeutendste Hengst in der Geschichte des königlichen Privatgestüts Weil der Könige von Württemberg. Doch das war nicht von Anfang an der Fall.
Noch bevor das Königliche Gestüt Weil im September 1817 gegründet wurde, wurden die beiden Hengste Bairaktar und Tajar im Mai 1817 durch Baron von Fechtig nach Europa gebracht. Beides waren Hengste der Rasse Saklawi Djedran, die von Fechtig durch einen Mittelsmann im Orient ankaufen lies.
Die beiden Hengste kamen erst in den Leibreitstall, wo in der Inventarliste der Wert „derjenigen Leibreitpferde“ angegeben wurde, „welche Sr. Königliche Majestät als Privat-Eigenthum“ behalten will. Dabei wurde Tajar mit 1000 Louis d’Or, Bairaktar aber nur mit 600 Louis d’Or taxiert, was darauf hindeutet, daß man den braunen Tajar zu diesem Zeitpunkt mehr schätzte als Bairaktar. Und während Tajar noch im Jahr seiner Ankunft in Weil als Beschäler eingetzt wurde, wurde Bairaktar erst im folgenden Jahr (1818) zur Zucht verwendet. Er deckte zwei Jahre (1818-1819), wobei er jeweils im Schatten von Tajar stand, dem etwa doppelt so viele Stuten zugeführt wurden. Lag es an der Stutengrundlage, die zu der damaligen Zeit noch aus siebenbürger, türkischen, russischen und nur einer „ächt arabischen“ Stute (Murana I) bestand, daß Bairaktars Nachkommen nicht recht überzeugen konnten?
Als dann im August 1819 ein Transport von original-arabischen Hengste vom Grafen Rzewuski in Weil eintraf, übernahm der beste daraus, Goumousch Bournu, an der Seite Tajars die Stelle des Hauptbeschälers in Weil und Bairaktar verblieb im Leibreitstall, wo er vier Jahre hindurch [1820-1824] als Leibreitpferd des Königs „ausgezeichnete Dienste leistete“. Offensichtlich wurde er aber während der Decksaison auch als Landbeschäler in Altshausen (Oberschwaben) eingesetzt, denn hier stand er ab 1820 im Marstall von Schloß Altshausen, dem Landschloß der königlichen Familie, das sie auf ihrer Reise von Stuttgart nach Friedrichshafen als Zwischenstation aber auch für gelegentliche Jagdaufenthalte nutzten. In Altshausen deckten damals neben Bairaktar noch weitere arabische und orientalische Hengste, wie beispielsweise die Rzewuski-Hengste Sheraky, Wechaby und Hurschid. Die Fohlen, die von diesen „königlichen Hengsten“ aus Landstuten fielen, wurden teilweise vom König wieder aufgekauft.
Nachdem Goumousch Bournu viel zu früh im Juni 1824 starb, holte man Bairaktar zur Decksaison 1825 wieder ins Gestüt zurück. Endlich bestand die Stutengrundlage aus großenteils original-arabischen Stuten und er bekam die edelsten davon zugeteilt, u.a. Schakra I Or.Ar., Kabron I Or.Ar., Elkanda I Or.Ar., Sady III 1821, Hamdany I Or.Ar., Hasfoura Or.Ar. und Abuloulou Or.Ar.
Im Jahr 1828 hatte er dann wohl durch seine Nachzucht überzeugt, denn es heißt: „Unter den Originalhengsten behauptet Bairactar den ersten Rang. Er hat vorzügliche Knochen und ist stark für seine Grösse. Seine Sehnen könnten klarer seyn, doch da er lange und stark vom Könige gebraucht ist, auch Feuer erhalten hat, so mag solches früher besser gewesen seyn. Seine Füllen sind gut.“
Mitte der 1840er Jahre befanden sich in Kleinhohenheim etwa 50 Hengstfohlen “unter denen viele ganz ausgezeichnete, die nachmals als Beschäler benutzt wurden, insbesondere die Söhne von Bairaktar.“ Prof. Rueff schreibt über Bairaktar „Dieser Originalhengst war von edlen Formen und besonders stark und regelmäßig gebaut, im Gang vorzüglich, allein im Halse nicht schlank und lang genug, und in der Schulter etwas steil. Bairaktar I. vererbte sehr gut und ist zu den besten Arabern zu zählen, wleche je nach Europa importiert wurden.“
Am Todestag von Bairaktar notierte König Wilhelm in seinen privaten Aufzeichnungen mit dürren Worten: „Den 17. Februar [1839] Bairaktar der 1ste Hengst des Gestüts seit Gründung gefallen“. Zuvor zeigte der Hengst über etwa 30 Stunden hinweg Koliksymptome, dann Lähmungserscheinungen und schließlich konnte nicht mehr aufstehen. Eduard Hering, der den Hengst behandelte und nach seinem Ableben seziert hat, berichtet: „Bei… Bairaktar…, fand ich fünfzehn eckige Gallensteine, zusammen 6 ½ Drachmen schwer.“ Sein Skelett wurde an die „Thierarzneischule“ in Stuttgart (Hohenheim) abgegeben. Betrachtet man das Skelett, das bis in die 1980er Jahre im Museum der Universität Hohenheim stand und nun im Gestütsmuseum Offenhausen (bei Marbach) zu sehen ist, so war Bairaktar in seinen alten Tagen wohl ein schlechter Fresser, denn er hatte ein ausgeprägtes Treppengebiss.
Züchterisch jedoch war er unübertroffen, hatte er doch bis zu seinem Tod über 200 Fohlen im Gestüt gezeugt und war bis zuletzt fruchtbar.
Gudrun Waiditschka


Bitte beachten Sie: Dieser Artikel ist ein Vorabdruck aus dem Buch „Königliche Pferde“ zum 200jährigen Jubiläum der Weil-Marbacher Zucht, das im Jahr 2017 begangen wird. Erscheinungstermin ist das Frühjahr 2017. Weitere Informationen hier!