Beduinen-Traditionen und ihre Bedeutung heute

An der WAHO Konferenz 2014 in Doha, Qatar, hielt Cynthia Culbertson einen Vortrag über Beduinen-Traditionen und Pferdezucht. Sie untersuchte, wie die Beduinen ihre Pferde behandelt und versorgt haben, nachgewiesen durch Textzitate in vorislamischen Gedichten. Die Autorin verweist auf die Beduinen-Tradition, ein arabisches Pferd nicht durch Schläge sondern nur durch Gesten und Worte zu trainieren und bringt dieses in Kontext mit den heutigen Trainingsmethoden für den Schauring.

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Ich möchte meinen Vortrag damit beginnen, zu definieren, was man genau unter dem Begriff „Tradition“ versteht.
Tradition ist:
1. Die Überlieferung von Glauben, Sitten, Informationen, etc. von einer Generation zur anderen;
2. Etwas, das überliefert ist;
3. Eine seit langem etablierte Denkweise oder Handlung;
4. Ein anhaltendes Muster von kulturellen Überzeugungen und Praktiken.
Das Schlüsselkonzept der Tradition für mich ist Langlebigkeit, daher sollten wir dieses ein wenig genauer betrachten: Also seit wann genau gibt es eine Beduinen-Tradition mit Pferden?
Es ist immer noch ein Rätsel, wann genau das Pferd zu den nomadischen Stämmen der arabischen Halbinsel gekommen ist und diese daraus die arabische Rasse entwickelt haben. Aber wir haben viele Hinweise, und sie werden laufend mehr. Ein herausragendes Beispiel sind die vielen Felsmalereien auf der Arabischen Halbinsel aus der Jungseinzeit (Neolitikum). Zu einem gewissen Zeitpunkt tauchen hier Pferde in der Kunst auf, von denen viele deutliche Merkmale haben, die wir mit der arabischen Rasse verbinden.
Während man die Felsmalereien nur schwer genau datieren kann, so sind doch einige der Pferde in Verbindung mit thamudischen Schriftzeichen dargestellt. Die thamudische Schrift ist eine der ältesten arabischen Schriften und begann bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. und wurde die nächsten rund 1000 Jahre verwendet. Daher kann man aufgrund dieser Felsenmalereien das Erscheinen der Rasse auf der Arabischen Halbinsel möglicherweise auf einen Zeitpunkt vor 2700 Jahren datieren, aber mit Sicherheit waren Araber-ähnliche Pferde bereits früher in dieser Region zu finden, und zwar irgendwann in der Zeitspanne, in der diese Schrift typischerweise verwendet wurde.

FELSMALEREIEN UND PFERDEKULTUR

Kriegs- und Jagdszenen mit Pferden sind häufig, was darauf hindeutet, daß diese Völker ihre Pferde für solche Zwecke sehr geschätzt haben, und damit bereits sozusagen eine Tradition der „Pferdekultur“ begonnen haben. Auch individuelle Pferde sind dargestellt, einige mit „wusum“, Stammeszeichen zur Identifizierung ihrer Besitzer. Ich vermute, obwohl wir uns dabei nicht sicher sein können, dass das Bild ein bestimmtes Pferd von jemanden darstellt, das den Stolz des Besitzers widerspiegelt, sowie die Bedeutung die man den Pferden in dieser Kultur damals beigemessen hat.

Ich will nun kurz eine Zeitspanne von ca. 1400 Jahren Revue passieren lassen, die die Beduinen-Tradition in Hinblick auf das Pferd in die richtige Perspektive rückt. Dies hilft uns, die wir mit arabischen Pferden zu tun haben, zu erkennen, dass diese das Ergebnis von vielen Züchtergenerationen sind.
Die Zeitlinie beginnt mit dem arabischen Pferd, wie es in vorislamischen Gedichten gefeiert wird und bereits eine bestehende starke Tradition mit Pferden darstellt (Mu’allaqat – „hängende Gedichte“, datiert 580 v.Chr.). Dann gehen wir weiter zum Anfang des Islam (622 v.Chr.), als die Kavallerie, mit arabischen Pferden beritten, die treibende Kraft für die Ausweitung des Islam war und andere Länder und Kulturen zum ersten Mal mit diesen aussergewöhnlichen Pferden zusammentrafen.
Als nächstes nenne ich die Kreuzzüge (1095-1291), während dieser Zeit sahen und bewunderten die Europäer zum ersten das arabische Pferd. Dann gehen wir weiter zu den Mamelucken (1250-1811), deren arabische Pferde halfen, die westwärts ausgerichtete Expansion der Mongolen zu stoppen. Auch haben die Mamelucken die vielfach erwähnte Furusiyya entwickelt, ein Handbuch der Reitkunst. Es folgt die erste bekannte Zucht arabischer Pferde in Europa, die in Polen stattfand (1533). Danach folgte der Aufstieg des arabischen Pferdes als Pferd der Wahl für die europäische Aristokratie, als Beispiel sei hier Katharina die Große (1772) genannt, bis hin zum Königlichen Privatgestüt Weil (1817), heute Marbach, dessen Pferde die weltweit ältesten, kontinuierlich aufgezeichneten Abstammungen arabischer Pferde besitzen. Letztendlich kommen wir zu Abbas Pascha I. in Ägypten, der vielleicht der größte Sammler arabischer Pferde war, die er aus der Wüste bezogen und ausschließlich nach Beduinentradition weitergezüchtet hat.
Die Zucht arabischer Pferde umfasst in der arabischen und islamischen Welt eine Zeitspanne von 1400 Jahren (500 – 1900 n.Chr.), während im Westen die kontinuierliche Zucht arabischer Pferde nur von 1533-1900 dauerte, und die Zucht in der Wüste in Beduinentradition zu dieser Zeit noch andauerte.

Timeline - Arab Horse Breeding in Europe vs. the Arab and Islamic countries

Zeitlinie – Araberzucht in Europa vs. die arabische und islamische Welt.

BEDUINENTRADITION RESPEKTIEREN

Aber man muß bedenken, dass auch vor diese Zeitlinie bereits eine Pferdezuchttradition existiert hat, die etwa 1000 Jahre früher begann. Damit umfasst die Pferdezucht auf der arabischen Halbinsel einen Zeitraum von etwa 2700 Jahren.
Und noch eines: Die Menschen haben dieses Pferd, das innerhalb dieser Traditionen und Werte geschaffen wurde, so sehr geschätzt, dass sie es ungeachtet aller kulturellen Unterschiede, Kriege, Modernisierung und Jahrhunderte der Veränderungen, in seiner unverkennbaren Form seit Tausenden von Jahren erhalten haben.
Aber welche der Beduinen-Traditionen betreffen nun das Pferd? Es ist durchaus legitim, dass wir uns fragen, warum wir uns über vergangene Praktiken Gedanken machen sollen, wo wir doch gar keine Nomaden sind. Dennoch würde ich sagen, dass die Langlebigkeit der Rasse einen nie dagewesenen Erfolg darstellt, der auf der Beduinen-Tradition der Pferdezucht beruht. Es gibt nur wenige ähnliche Beispiele in der Geschichte, wo Menschen etwas entwickelt haben, das sozusagen 3000 Jahre lange nachgefragt wurde. Das Pferd ist also in vielerlei Hinsicht Beduinen-Tradition und als solches verlangt es, dass wir diese Traditionen respektieren.
Während in der Vergangenheit das arabische Pferd die beste Rasse der Welt darstellte, wird es heute oft von anderen Pferdefreunden lächerlich gemacht. Wie konnte das passieren? Warum ist dies passiert? Vielleicht, ja nur vielleicht, erinnert uns diese Tatsache daran, dass wir nicht genug darauf achten, was den Araber zu dem gemacht hat, was über Jahrhunderte hinweg geschätzt wurde.

WAS BEDEUTET “KLASSISCH”?

Lassen Sie mich zu meinem Wörterbuch zurückkommen, denn ich will erforschen, was das eine Wort bedeutet, das wir standing in Verbindung mit unseren Pferden verwenden, ungeachtet der Sprache, die wir sprechen. Dieses Wort ist “klassisch”.
Klassisch bedeutet: “Gehört dem höchsten Rang an, hat langandauernde Bedeutung oder Wert, dauerhaft. Beachten Sie wieder das Konzept der Langlebigkeit. Das arabische Pferd ist tatsächlich ein Klassiker – es hat dauerhafte Bedeutung oder Wert.
Nun kommen wir zum Typ. Wenn wir an „arabischen Typ“ denken, denken wir in erster Linie an die Silhouette des Pferdes: ein kleiner, gedishter Kopf, gewölbter Hals, flache Oberlinie und ein hoch getragener Schweif. Ich denke, wir konzentrieren uns auf diese Aspekte des Typs, weil sie am einfachsten zu erkennen sind. Es sind auch Eigenschaften, die seit Tausenden von Jahren vorhanden waren, wie es die Felsenmalereien in Arabien zeigen. Ich dachte immer, dass zu viele unserer zeitgenössischen Künstler in ihren Darstellungen des Arabischen Pferdes übertreiben, aber nun können Sie sehen, dass es für diese Übertreibungen eine lange Tradition gibt, und diese frühen Künstler sich auch auf diese unverwechselbare Silhouette konzentrierten. Künstler damals, heute und in der Geschichte haben diese Eigenschaften hervorgehoben, es sind die, die am leichtesten erkennbar sind. Und die Kunst liefert wertvolle Hinweise für die Züchter des arabischen Pferdes.
Dennoch denke ich, dass wir uns alle einig sind, dass wir keine Kunstwerke züchten, sondern Pferde. Und das arabische Pferd hat neben seiner auffälligen Silhouette noch viel mehr Aspekte. Um das ganze, d.h. das gesamte Pferd zu verstehen, schlage ich vor, die Beduinen-Traditionen weiter zu untersuchen.
Gehen wir auf unserer Zeitlinie zurück, dann will ich das Pferd aus dem Blickwinkel einer anderen Kunst beleuchten – der Poesie. Poesie war die schönste kulturelle Errungenschaft der Beduinen und in vorislamischer Zeit wurden Gedichte im Gedächtnis bewahrt und mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Während Architektur und Kunstobjekte oftmals leichter zu bewundern sind, kann nicht genug darauf hingewiesen werden, dass die Poesie gleichrangig mit den größten architektonischen und anderen künstlerischen Erungenschaften der Geschichte ist. Der Dichter diente sowohl als Historiker wie auch als Genealoge für den Stamm, und für unsere Zwecke gibt er uns einen idealen Überblick über die Rasse.
Die bekannteste Gedichtform in vorislamischer Zeit war die Ode, bekannt als Qasida. Diese weitentwickelten Gedichte folgten einer typischen Formel mit einem einfachen Versmaß, wo sich jede Zeile reimt, und die oft die dichterische Beschreibung des Kamels oder des Pferdes beinhaltet. Das Kamel sollte uns nicht weiter verwundern, denn es ermöglichte den Wüstennomaden das Überleben in der Wüste, indem es Transport, Milch, Fleisch und Leder lieferte. Aber wenn das Kamel für das Überleben stand, so bedeutete das Pferd Lebensqualität durch Fleisch für den Stamm aus der Jagd und Wohlstand durch Herden, die in Raubzügen erworben wurden. Kamele waren eine Notwendigkeit. Pferde in vielerlei Hinsicht ein Luxusgut, welches, wenn man es hatte, die Lebensqualität erheblich verbesserte.
Diese Gedichte, vor 15 Jahrhunderten geschrieben, bietet also einen wunderbaren Einblick in die am höchsten geschätzten Eigenschaften des Pferdes innerhalb der Beduinen-Tradition. Aber zuerst sollte ich eine Liste der Eigenschaften machen, die wir heute an der arabischen Rasse am meisten schätzen:
Wie Sie sehen, habe ich die Reinheit als erstes genannt, und dann die Eigenschaften gelistet, die die künstlerische Silhouette ausmachen, auf die wir uns heute so stark konzentrieren.
Nun will ich Ihnen die Reihenfolge der Eigenschaften geben, wie sie in der vorislamischen und einigen islamischen Gedichten in Bezug auf das arabische Pferd auftauchen. Also eine weitere Liste, die in direktem Bezug zu den Beduinen-Traditionen steht:
Sie werden sich freuen, dass Reinheit und Herkunft an oberster Stelle stehen. Aber die weitere Reihenfolge ist sehr unterschiedlich, und es sind einige Dinge hinzugekommen, und andere fehlen verdächigerweise.

KEIN HUF, KEIN PFERD

Fast jedes Gedicht hat einen Hinweis auf Blutlinien, weshalb Reinheit und Herkunft von höchster Bedeutung sind.
„Unter den Vätern und Müttern von denen er abstammt, sein Stamm war der des Al-A`waj“
„… ihr Vater hat ihre Linie zu den besten des Stammes erhoben…“
Hätte aber irgendjemand gedacht, dass es Hufe in diese Liste schaffen würden? Interessant ist, dass der Strahl und eine starker, harter Huf in fast jedem Gedicht erwähnt sind. „Kein Huf, kein Pferd“ trifft in jedem Fall auf die Beduinen-Tradition zu. Der größte Teil der Wüste besteht, entgegen landläufiger Meinung, nicht aus Sanddünen, sondern aus einem felsigen, steinigen Untergrund. Hufeisen wurden in den frühen Jahrhunderten nicht verwendet, so dass gute Hufe eine Notwendigkeit waren. Ein Huf von bestimmter Qaultät wurde las eine Schlüssel-Eigenschaft der Rasse erachtet. Die Beduinen haben ein Sprichwort, das besagt, dass der ideale Huf „rund wie der Becher eines Sklaven ist“, oder „wie eine kleine Kindertasse“. Da ich weder den Becher eines Sklaven, noch die Tasse eines Knaben gesehen habe, kann ich nicht genau sagen, was sie mit dieser Analogie meinten, aber der Schlüssel ist die „runde“ From – nicht zugespitzt, nicht eng, sondern weit und rund, hart wie Feuerstein. Ich frage mich, wieviele Zuchtprogramme des 21. Jahrhunderts den Hufen Bedeutung zumessen, wenn sie ihre Zuchtentscheidung treffen. Dennoch sind diese starken Hufe ein Hauptgrund für das lange Überleben der Rasse und ihrer Wertschätzung über Jahrhunderte hinweg.
„Der Strahl der Hufe ähnelt, in Hinsicht auf seine Härte, einem Dattelkern, der durch seine Härte sogar dem Schlag eines Hammers widersteht ohne zu brechen“.
„Sie gehen auf Hufen so hart, wie der moosbewachsene Stein im stehenden Wasser.“
Haben Sie bemerkt, dass der „Trab“ nicht auf der Liste der Eigenschaften ist, die von den Dichtern genannt wurden? Sie sprechen über einen geschmeidigen, leichtfüßigen Galopp. Kein arabisches Pferd wurde von den Beduinen jemals auf seinen Trab hin selektiert. In den Worten eines europäischen Reisenden hieß es „Diese herausragende Pferderasse ist auf zwei Gangarten beschränkt, ein majestätischer Schritt und ein Galopp mit langem Sprung“. Er fährt weiter fort, dass die Beduinen den Trab als „vulgär und unedel“ erachteten. Und dennoch bewerten wir unsere arabischen Pferde aufgrund ihres Trabes und es ist absolut wahr, dass diese elegante, fliegende Gangart eine charakteristische Rasse-Eigenschaft ist. Aber bedenken Sie, der Trab existiert heute, weil die Beduinen ihre Pferde für Jahrhunderte auf einen schnellen, raumgreifenden Schritt, einen kadenzierten, leichten Galopp und einen effizienten Renngalopp gezüchtet haben.
„Beritten auf Pferden, die lange Sprünge im Galopp machen“.

DAS WÜSTEN-KRIEGSPFERD

Auch der Hinweis auf die Wendigkeit fehlt in kaum einem der Beispiele, irgendwie verständlich für ein Wüsten-Kriegspferd, das in Überraschungsangriffen gegen den Feind verwendet wird.
„Schnell im Angriff, in der Flucht, in der Wendung, aber fest wie ein Fels im Sturzbach.“
„Er verfolgte ein Paar Wildesel in deren Staub: er ist schnell und wendig, wenn er seinen Angriff macht, unerschütterlich.“
Diese Wendigkeit hat zu der langen Überlebensdauer der Rasse beigetragen, und stellt sicher, dass das arabische Pferd und das Blut des arabischen Pferdes unverzichtbar für die Kavallerien sowohl der islamischen als auch der westlichen Welt waren. Und noch einmal: Wissen wir, welches der Pferde mit denen wir züchten, das wendigste ist? Wie auch der Huf, so ist die Wendigkeit eine Eigenschaft, die die Rasse definiert.
Schnelligkeit war wichtig, sowohl für die Jagd, als auch für den Krieg, und schnelle Pferde wurden hoch geschätzt, was vielleicht hilft zu erklären, warum das arabische Blut so wertvoll bei der Schaffung des Englischen Vollbluts war.
„… er ist schneller als der Blitz“
„Schnell war sie, wie ein Strauß, sie galoppierte voller Zorn…“
Der Charakter kommt wohl gleich nach der Reinheit in der Liste der Eigenschaften, die von den Beduinen geschätzt wurden. In vielen dieser Gedichte wird sowohl der Mut als auch der Sanftmut gepriesen.
„Er ist voller Geist – dann, wenn er sich beruhigt hat, lenkbar, von sanftem Gemüt und leicht zu kontrollieren“
Ausdauer wird, wie erwartet, häufig genannt und ist hoch geschätzt – wir sehen das Ergebnis bis heute, da der Araber die herausragendste Ausdauerrasse ist da er mehr langsam kontrahierende Muskelfasern hat.
„Er gallopiert weiter, wenn sich andere Pferde vor Müdigkeit langsam durch den Staub schleppen“.

GEBÄUDE-EIGENSCHAFTEN

Wenn wir zum Hals kommen, wird der gebogen getragene Hals, der gewöhnlich mit einem Palmwedel vergleichen wird, am häufigsten genannt, und die Form, und nicht so sehr die Länge, scheint von höchster Bedeutung zu sein.
„Die Schimmestute, die bekannt, es gibt keine wie sie in der Welt,… ihr Hals ist gebogen wie ein Palmwedel…“
„Und ich kam angeritten, der Hals meiner Stute gebogen wie eine fruchtbeladene Palme…“
Soweit ich das aus eigener Beobachtung sagen kann, verschwindet dieser charakteristische Halsbogen heute zusehends.
Kommen wir zur Oberlinie – diese ist interessant, denn die Beschreibungen sind irgendwie widersprüchlich. Eine gute Oberlinie ist sicherlich von Bedeutung and wird meist mit der Form einer festen Sanddüne verglichen oder sogar mit einem Zelt.
„Sie hat die Kruppe wie die Decke eines Lederzeltes, in welchem innen die Erbauer den Rahmen gebaut haben“
„Seine Kruppe erinnert an die Sanddüne, die durch Feuchtigkeit fest wurde“.
Eine der wenigen Schilderungen, die das beschreibt, was wir heute als flache Oberlinie meinen, vergleicht den Hengst mit einem anderen Wüstentier.
„Er hat den …. geraden Rücken eines Wildesels“.
Eine hohe Schweifhaltung wird erwähnt, aber vielleicht nicht so oft, wie man erwarten würde. Vielleicht, weil man dieses einfach als selbstverständlich erachtete, da es ja ein so starkes Rassemerkmal ist. Ein vorislamisches Gedicht vergleicht die hohe Schweifhaltung mit einem Skorpion, bereit zum Stechen.
„Die Stute mit hohem Schweif: Ein Skorpion hebt den Stachel.“
Ich finde das interessant, denn es erinnert an ein Pferd, das seinen Schweif so hoch trägt, dass er über den Rücken geschlagen wird und diese Beschreibung legt nahe, dass arabische Pferde aus dieser Zeit, vor vielen Jahrhunderten, bereits diese Eigenschaft hatten, wie wir sie heute kennen.
Bemerkungen über die feine Haut und das Fehlen der Haare sind recht häufig und offensichtlich werden Pferde mit langen Köten- oder Kinnhaaren kritisch betrachtet, denn „kurz im Haar“ ist ein häufig verwendeter Satz in diesen Gedichten.
„Mit einem Pferd, dessen Wangenknochen frei von Haaren ist“
„Eine Stute… mit kurzem Haar“

DER GEDISHTE KOPF

Nüstern, Augen, ein kleines Maul – all diesen Markenzeichen des Typs wird Beachtung geschenkt. Aber vielleicht ist es interessant, dass das konkave Profil, das berüchtigte „gedishte“ Gesicht auffälligerweise in der direkten Beschreibung fehlt. Diese eine Eigenschaft, die heute völlig überbewertet ist, scheint in der Beduinen-Tradition keines Lobes Wert zu sein.
Ich möchte auch noch erwähnen, das ein gutes Gehör und gute Sehkraft wichtige Eigenschaften für ein Beduinenpferd waren. Ein Pferd konnte den Stamm warnen, bevor der Feind sich näherte, oder als erstes das Wild am Horizont erkennen, was für eine erfolgreiche Jagd wichtig war.
Ich lebe in der Wüste von Neu Mexiko und kann Ihnen von meiner Stute erzählen, die immer die erste ist, die aufmerksam wird, wenn sich eine Gruppe von Gabelböcken nähert. Ich kann diese oft erst 15 Minuten später sehen, nachdem sie mir „gesagt“ hat, dass da welche sind. Ich vermute, dass die Beduinen eher auf solche Eigenschaften selektiert haben, als andere, die uns offensichtlicher erscheinen.
Ich habe diese poetischen Beispiele genannt und einfach rangiert, weil sie als ausgezeichneter Beweis dafür dienen, was in der Beduinen-Tradition wichtig war. Wenn wir das Erbe des arabischen Pferdes weiterführen wollen, so gibt es die große Gefahr, daß wir uns nur auf bestimmte Eigenschaften konzentrieren, und andere aus dem Blick verlieren. Wenn wir dies tun, riskieren wir, die Essenz der arabischen Rasse zu verlieren, und den eigentlichen Grund für deren Erfolg und Langlebigkeit.

DAS IDEALE REITPFERD

Für einen Moment will ich zur Kunst zurückkommen, die die Schönheit und den Adel dieser Rasse, und ebenso viele Jahrhunderte von Kultur und Geschichte widerspiegelt.
Ich habe eine Frage an Sie: Schauen Sie sich die Bilder unten auf dieser Doppelseite an – was haben sie gemeinsam? Die Pferde sind alle geritten. Haben Sie bemerkt, wieviele der Gedichte sich auf das Pferd und seine Eigenschaften in Zusammenhang mit der Reiterei beziehen?
Die Beduinen-Tradition hat uns das ideale Reitpferd beschert – ein williger und fröhlicher Allrounder, der in vielen Disziplinen verwendet werden kann und in einer unübertroffen ist – dem Distanzreiten. Der Araber ist ein Pferd, das auf geringste Hilfen reagiert und sehr loyal ist. Bedenken Sie, dass die Beduinen ihre reiterliche Tradition ohne Gebisse, Steigbügel oder Sporen begannen. Daher ist es kein Wunder, dass der Araber ein so sensibles Pferd ist. Die Gedichte der Beduinen enthüllen eine gewisse Wahrheit, nämlich dass man kein Pferd richtig beurteilen kann, bevor man es nicht unter den verschiedensten Bedingungen geritten hat. Pferde, die nicht die nötige Leistung erbracht haben, wurden ohne Zweifel ganz schnell aus der Zuchtpopulation eliminiert.
Und dennoch haben wir heute sehr viele Züchter, die ihre Pferde nie reiten, und einige, die sie nicht einmal einreiten lassen. Und doch werden diese Pferde regelmäßig zur Zucht verwendet. Ich war kürzlich auf dem Gestüt eines neuen Züchters, der viele sehr schöne Stuten und Jungpferde hatte. Wirklich sehr schön. Doch in fast jedem Fall ließ ihr Gebäude darauf schließen, dass sie ein recht ungeeignetes Reitpferd abgeben würden. Ich dachte bei mir, würde er wohl mit diesen Pferden züchten, wenn er sie selbst reiten müßte? Womit ich nicht sagen will, dass Schönheit sich nicht mit überragender Leistungsfähigkeit unter dem Sattel vereinbaren ließe – wir hatten Jahrhunderte lang schöne arabische Pferde, die uns bewiesen haben, dass diese wunderbare Kombination die Norm, und nicht die Ausnahme darstellt.
Ich will Ihnen zwei Beispiele geben, wie schnell man durch Selektion die Rasse-Eigenschaften verändern kann. Beide Fotos auf zeigen Vollblutaraber. Das erste ist ein Beispiel wie im 20.Jahrhundert in den USA selektiert wurde, um die hohe Knieaktion der dort heimischen Rassen zu imitieren. Das zweite ist ein Beispiel, was man erhält, wenn man Araber für hohe Geschwindigkeit auf kurzer Distanz züchtet. Ich zeige diese beiden Beispiele nicht, um diese Pferde oder ihre Züchter zu kritisieren, sondern lediglich um zu zeigen, wie Selektion auf eng definierte Kriterien sehr rasch den Rassetyp verändern kann. Ironischerweise, schauen wir wieder einmal nur auf die Silhouette. Eines oder gar beide Pferde mögen durchaus viele der weniger sichtbaren arabischen Eigenschaften haben, über die ich gerade gesprochen habe, und die von überragender Bedeutung für die Rasse sind. Eine dieser Eigenschaften ist der Charakter, eine Eigenschaft, die nicht sichtbar ist. Dennoch ist es eine der rassetypischsten Eigenschaften, und vielleicht eine von denen, für die die Gefahr besteht, dass wir sie womöglich verlieren, wenn wir nicht speziell darauf achten.

FÜRSORGE ALS BEDUINEN-TRADITION

Man kann den Charakter des Pferdes, wie er sich unter Beduinen-Traditionen entwickelt hat, nicht von Respekt und Wohlergehen trennen, daher will ich beides gleichzeitig behandeln. Eine der herausstechendsten Eigenschaften der Beduinen-Tradition, im Vergleich zu anderen historischen Pferdekulturen, ist, dass die Beduinen das Pferd niemals als Lasttier verwendet haben. Das kann man teilweise mit dem Vorhandensein des Kamels erklären, aber dennoch: Sie verwendeten ihre Pferde nie als Packpferde, um Wagen zu ziehen, oder vor dem Pflug. Pferde wurden als edle und wertvolle Tiere erachtet, die man durch solche Verwendung nicht erniedrigen wollte.
Sogar in vor-islamischen Gedichten gibt es Beispiele, die auf die Bedeutung des Wohlergehens der Pferde hinweisen. Ich gebe Ihnen einige Beispiele, übersetzt aus dem arabischen von James Luck. Ich bewundere seine Arbeit, denn – da ich einige der Texte selbst auch übersetzt habe – verstehe ich die Schwierigkeiten. Aber anders als andere Übersetzer, hat er nicht versucht, das ganze in Versform zu bringen, sondern hat die Gedichte wörtlich übersetzt, wodurch seine Übersetzungen besonders hilfreich sind, für denjenigen der etwas über die Rasse erfahren will.
Aus dem Buch von Abu Ubaida ist uns folgendes überliefert: „… die Araber haben nichts und niemanden dieselbe Pflege angedeihen lassen, als dem Pferd… so sehr, dass ein Araber die Nacht hungrig verbringen würde, während der Hunger seines Pferdes gestillt wurde, das Pferd ist ihm wichtiger als er selbst, als seine Familie und seine Kinder. Er würde es tränken mit dem reinen Wasser, während er und seine Familie das klare Wasser trinken, und man würde die anderen tadeln, wenn sie ihr Pferd vernachlässigen, wenn es zu dünn wäre oder schlecht versorgt.“
Ich denke, der letzte Satz illustriert einen wichtigen Punkt, denn wir tendieren manchmal dazu, das Beduinenleben mit ihren Pferden zu romantisieren, und stellen uns vielleicht etwas idyllisches vor, wie das großartige Gemälde „Das arabische Zelt“. Wir müssen uns jedoch daran erinnern, dass diese Pferde oftmals kurz vor dem Verhungern waren, und an schweren Verwundungen, die ihnen im Kampf zugefügt wurden, gestorben sind. Wir müssen auch realistisch sein – nicht jeder Beduine hat seine Pferde gut behandelt. Aber ich denke, der wichtigste Punkt ist, dass es trotz eines Lebens in Entbehrung und dem täglichen Kampf ums Überleben einen starken Glauben gab, dass Respekt und Wohlergehen des Pferdes überaus wichtig sind.
Wir haben viele andere Beispiele, wie die, die ihre Pferde nicht gut behandelt haben, von den anderen kritisiert wurden. Aus der gleichen Übersetzung haben wir ein Beispiel des bekannten Poeten und Kriegers Antar: „Oh Söhne Zabiba`s, was ist mit Eurem Hengstfohlen los, er ist so dünn, während Eure Bäuche wachsen?“
Ein anderer vorislamischer Dichter sagte von seiner Stute: „[Sie] Um Al Hai wird in jedem Wintercamp wie eine Gleiche behandelt. Und wir kleiden Sie, ohne dass jemand uns ermahnt.“
Oder: „Ich behandle ihn freizügig. Mehr noch als meine Familie. Er hat ein weiches Bett und liebevolle Pflege.“
Wieder ein anderer Dichter sagt: „Er ist mir wie meine Familie. Ihm wird zweimal Wasser gegeben, während sein Herr dünn und ausgemerkelt ist.“
„Wir bingen ihr frische Milch, wenn die Dürre über uns kommt, und unabhängig unserer eigenen Bedürfnisse, während wir nur milchiges Wasser haben, hoffen wir, dass sie es uns zurückgibt, von unserem Feind, rasend und erobernd.“
Und von einer Stute: „Ich halte sie so hoch wie mich selbst, oder ein Teil von mir, und ich lege meinen Mantel um sie bei kaltem Wetter…“
Wenn ein Pferd zu einem Araber gebracht wurde, das Gurtendruck hat: „Die Verwandten brachten sie zu mir, sie wurde wundgerieben durch den Gurt und ich versorgte und pflegte sie. Ich gab ihr Medikamente…“
Der Charakter des Arabischen Pferdes ist ein Geschenk, entstanden in Jahrhunderten des Zusammenlebens mit dem Menschen in einer Umwelt, die unbewohnbar ist für Pferde. Pferde wurden als Teil der Familie sozialisiert – sie schlossen sich ihrer „menschlichen Herde“ an, was bedeutet, dass die Pferde ihren Meister genauso beschützten, wie ihr eigenes Fohlen. Selektion bedeutet, dass mit Pferden, die sich nicht an ihren Menschen anschlossen, nicht gezüchtet wurde.

FREUNDLICHKEIT UND RESPEKT

Was wir neu-deutsch unter „imprinting“ verstehen, ist Teil der Beduinen-Tradition. Burkhardt, ein Schweizer, der unter den Beduinen in den 1800er in Arabien reiste, schrieb: „Die Beduinen lassen ein Fohlen nie den Boden berühren, in dem Moment wo es geboren wird, es wird vielmehr von ihnen in ihren Armen aufgefangen und über mehrere Stunden mit der allergrößten Sorgfalt behandelt; sie waschen es und dehnen seine delikaten Glieder und liebkosen es überall wie ein Kind.“ General Daumas berichtet in seinem Buch „Die Pferde der Sahara“ weiter, dass nachdem dies erledigt ist, die Mitglieder des Zeltlagers das Fohlen in ihren Armen für eine Weile durch das Lager tragen, inmitten all des Geschreis und des Lärms, den jedermann macht.
In James Luck’s Übersetzung von Abu Ubaida ist ein Vers enthalten, wie die Beduinen sich um eine Stute kümmern, nachdem sie geobren hat: „Sie hat durch ihre Hände geboren, die edle junge Mutter hört ein leises Murmeln, während die Nachgeburt abgeht. ”
In einem anderen Beispiel, haben wir die Antwort des Dichters Antar, als er kritisiert wurde von einer Frau wegen seiner Art, ein Fohlen zu behandeln: „Erwähne mein Fohlen nicht einmal und was ich ihm füttere, oder Deine Haut wird wie die Haut einer Heuschrecke sein! Die Morgenmilch gehört ihm, auch wenn es Dich stört.“
Diese Tradition von Ehre und sorgfältiger Pflege und Behandlung der Pferde wurde auch vom Propheten Mohammed betont, nachdem der Islam Einzug gehalten hatte. Ich möchte an die islamische Philosophie in Bezug auf die Tierliebe erinnern, und betonen, dass diese Philosophie sich mit dem Islam ausbreitete auf zwei Drittel der damals bekannten Welt. Pferde mit Liebe und Respekt zu behandeln, und mit ihnen in enger Gemeinschaft zu leben, war weitestgehend unbekannt in der westlichen Welt, wo die meisten Pferde einfach als Lasttiere betrachtet wurden. Die Europäer waren daher überrascht über das Verhältnis zwischen den Pferden und ihren Besitzern in der islamischen Welt.
In ihrem Buch „Noble Brutes: How Eastern Horses Tranformed English Culture” (Edle Tiere: Wie östliche Pferde die englische Kultur veränderten) gibt Prof. Donna Landry einige unwiderstehliche Beispiele. Darunter auch Busbecq, ein Franzose, der das Osmanisches Reich bereiste: „Es gibt keine Kreatur so sanft wie ein türkisches Pferd, keines das respektvoller gegen seinen Meister ist, oder den Pfleger der ihn sattelt. Der Grund liegt darin, dass sie ihre Pferde mit großer Leichtigkeit behandeln… Daher werden ihre Pferde zu großen Menschenfreunden; und sie sind weit davon entfernt auszuschlagen, zusammenzuzucken oder widersetzlich zu werden, so dass man kaum ein herrenloses Pferd findet.“
Gleichzeitig schreibt er über den großen Unterscheid zur Pferdebehandlung in Europa: „Aber ach! Unsere christlichen Pfleger behandeln Pferde in einer ganz anderen Weise; sie glauben, dass sie nicht richtig gestriegelt sind, wenn sie sie nicht mit ihrer Stimme anschreien, und ihren Knüppel oder Peitsche spüren lassen an ihrer Seite. Einige Pferde zittern sogar, wenn ihr Wächter nur in den Stall kommt, so sehr fürchten sie ihn.“

DAS URSPRÜNGLICHE FAMILIENPFERD

Der Titel dieses Beitrags beinhaltet den Halbsatz “Bedeutung heute”. Von diesem Punkt an, werden die Beispiele von Europäern handeln, die die Beduinen und ihre Pferde beobachtet haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Europäer über die Art und Weise schrieben, wie die Beduinen ihre Pferde behandelten, weil dies in so starkem Kontrast zu dem stand, was sie von zu Hause kannten.
Während ich diese Beispiele erwähne, dachte ich wie sehr wir doch die Beduinen-Traditionen schätzen sollten, von denen ich rede und wieviel Bedeutung diese heute noch haben. D’Arvieux, ein französischer Reisender in der Wüste im 17. Jahrhundert, beschrieb die Behandlung einer Stute in einem Beduinenlager wie folgt: „Sie binden sie niemals an, wenn sie nicht gesattelt und gezäumt war. Sie ging in all die Zelte zusammen mit ihrem kleinen Fohlen und besuchte so jeden; sie wurde von allen geküsst und beachtet und man gab ihr etwas. Oftmals kletterte sie über einen Haufen Kinder, die am Boden des Zeltes lagen und sie überlegte lange Zeit, wohin sie ihren Huf setzten sollte, denn sie ging hinein und hinaus, ohne irgendjemanden zu verletzen. Diese Stuten sind es so sehr gewohnt, in ihrer Familie zu leben, dass sie bereit sind, jede Art von Spiel mitzumachen. Die Araber schlagen sie nie, sie halten viel von ihnen, reden mit ihnen, schimpfen mit ihnen und geben ihnen die größtmögliche Fürsorge.“
Russel schrieb: „Eine höchst bemerkenswerte Eigenschaft der arabischen Pferde ist ihre Sanftheit, die sie ohne Zweifel der Freundlichkeit verdanken, mit der sie aufgezogen, und von ihrem Herrn ihr Leben lang behandelt werden.“
In seinem Buch ‚The Arab of the Desert‘, beschreibt H.R.P. Dickson das bemerkenswerte Verhältnis zwischen den Beduinen und ihren Pferden: „Dass die Stute ein Familienmitglied ist, hat einen höchst erfreulichen menschenfreundlichen Effekt auf das arabische Pferd allgemein. Es ist reizend zu sehen, wie eine Stute ein Zelt betritt, um vor der kalten Nacht Schutz zu suchen, oder in der Mittagshitze in das Frauenabteil kommt, um den stechenden Sonnenstrahlen des heißen arabischen Sommers zu entgehen. Keiner verbietet es ihnen. Sie nehmen Besitz von Rechts wegen, und sie werden begrüßt, man gibt ihnen wie selbstverständlich einige Datteln oder etwas Wasser zu drinken. Durch diese Behandlung entwickeln sie eine merkwürdige Sanftheit gegenüber den Frauen, die ständig mit ihnen umgehen, und insbesondere gegenüber den Kindern im Zelt.“ – „Und tatsächlich scheint jede Stute zu verstehen, dass die Kleinen die Kinder ihrer Beschützer sind, und sie behandeln sie sanft und mit so viel Fürsorge, als wären es ihre eigenen.“
Lady Anne Blut beobachtet den gleichen Charakterzug und schrieb: „Die Veranlagung des arabischen Pferdes ist freundlich und liebevoll, famliliär bis fast lästig. Sie haben keine Angst vor dem Menschen, und erlauben es jedem, sich ihnen zu nähern und sie am Kopf zu nehmen, wenn sie grasen. Wenn sie zufällig liegen, stehen sie nicht auf, wenn man ihnen näher kommt…“ – „Diese außerordentliche Sanftheit und der Mut, obwohl teilweise ein Resultat des Trainings, ist auch angeboren, denn ein Fohlen, das im Stall geboren und aufgezogen wird, ist genauso zahm.“
Der Araber wurde seit langem als das ideale Familienpferd erachtet, und die Beduinen-Tradition zeigt, dass diese Rasse tatsächlich sozusagen das „ursprüngliche“ Familienpferd ist.
Wir stellen uns oft vor, wie ein Beduinenkrieger auf seinem Pferd durch die Wüste galoppiert, aber es ist wichtig zu wissen, dass Frauen eine wichtige Rolle in der Ausbildung und in der Pflege der Pferde spielten. Ein vorislamischer Vers eines Gedichts beweist dies: „Mit Hinblick auf die Pflege ihrer Pferde, traut der Araber keinem außer seinen Söhnen und seinen Frauen“, und frühe Gedichte belegen auch, daß es Frauen waren, die die Pferde für den Kampf bereit machten. Ein berühmtes Gedicht beschreibt sogar, dass sie in der Schlacht kämpften, wenn die Männer des Stammes nicht da waren: „Und die Stuten, die von den Frauen geritten wurden, hatten keine Angst, als sie einen Raubzug kommen sahen und dies zeigt auch den Mut der Frauen, die sie reiten.“
Doch der außerordentliche Erfolg der Beduinen mit ihren Pferden wurde ohne körperliche Züchtigung erreicht: „Die Araber schlagen nie ein Pferd,“ beobachteten europäische Reisende, „sondern behandeln sie mit viel Freundlichkeit, streicheln und liebkosen sie, reden mit ihnen und sorgen für sie in außergewöhnlichster Art und Weise.“ Lady Anne Blunt bemerkte dies ebenfalls und schrieb über die Beduinen: „Ihr Verdienst als Pferdebändiger ist unerschütterliche Geduld. Es ist nicht in ihrer Natur, im Umgang mit dem Tier die Beherrschung zu verlieren, und ich habe nie gesehen, dass sie ihre Stuten in irgendeiner Art schlagen und schlecht behandeln.“ Das Brauchtum der Beduinen verlangt, Worte oder Gesten zu verwenden, um Lob oder Unmut zum Ausdruck zu bringen.
Aber was ist von dieser Tradition heute übriggeblieben?
Ich wechsle nun von der fernen Wüste in den modernen Schauring…

SCHAURING-PRAKTIKEN

Während Sie die “eingefrorene” Aufstellung eines Schaupferdes sehen – erkennen Sie die Silhouette, die wir weiter oben diskutiert haben? Aber unsere Pferde sind nicht Modellpferde, keine Felszeichnungen, keine Gemälde. Verantwortungsvolles Pferdetraining kann natürlich eine sofortige Strafe für ein Pferd beinhalten, das etwas falsch macht, und natürlich Belohnung, wenn es etwas richtig macht. Aber wir trainieren heutzutage Trainer, Amateur-Vorführer und selbst Kinder ihren Araber zu „shanken“, d.h. ruckartig am Vorführzaum zu ziehen, um eine Reaktion zu erzielen, die aber eigentlich eine Reaktion auf Schmerz und Angst ist.
Hat unser edles arabisches Pferd irgendetwas falsch gemacht? Ich glaube nicht. Wir versuchen lediglich eine künstliche Pose zu erzielen – eine unnatürliche Aufstellung, eine aus Starrheit und Angst. Eine Aufstellung, über die die meisten Richter sagen, dass sie diese für die Beurteilung des Pferdes gar nicht verwenden.
Natürlich wird dieses arabische Pferd, dieses vertrauensvolle Pferd, das uns gefallen will, das sogar ein genetisches Erbe hat, uns nahe zu sein, lernen zu reagieren, und hoffentlich belohnt zu werden, nachdem es die unnatürliche Pose eingenommen hat. Aber belohnt wird es nur bis zum nächsten mal, wenn es wieder diese richtige Antwort geben muß, die es aus Angst und durch Schmerzen gelernt hat.
Was glauben Sie, dass eine Gruppe von Beduinen denken würde, die sehen, wie ein Pferd vor einem Vorführer steht und diese Person plötzlich ruckartig an der Vorführleine zieht oder gar das Pferd einschüchtert, indem er es an vergangene Schmerzen erinnert. Wie würden diese Beduinen den Blick des Pferdes voller Angst statt voller Stolz und Mut interpretieren? Ich glaube, sie wären entsetzt, und ich denke, wir alle sollten entsetzt sein. Ich glaube, sie würden dieses sinnlose und lächerliche Verhalten bestrafen, genau wie sie es vor Hunderten von Jahren gemacht hätten, wenn jemand seine Pferde mißhandelt hätte.
Natürlich kommt dieses Verhalten nur bei einem kleinen Prozentsatz derer vor, die heute arabische Pferde lieben und züchten. Ich glaube, es gibt eine Mehrheit, die solch ein lächerliches Verhalten gegenüber einem Araber nicht dulden würden. Aber ich glaube auch, es gibt auch immer mehr Züchter jedes Jahr, die ihre Pferde aus diesem Grund nicht mehr zeigen, und viele, die kein Pferd verkaufen, wenn es dann in solch einer Art für den Schauring trainiert wird.
Einige Pferde halten dieses Training nicht aus und damit beginnen wir eine Selektion, bei der wir diejenigen arabischen Pferde favorisieren, die die Fähigkeit haben, Mißhandlungen zu tolerieren. Kein einziger der europäischen Reisenden in den letzten Jahrhunderten, kein Autor eines Handbuchs für Reitkunst aus dem islamischen Raum bezeichnete jemals das arabische Pferd als „verrückt“. Sollten wir uns nicht fragen, warum dies heute der Fall ist?

DAS MODERNE GEDICHT

Ich hatte die Idee, wie wohl ein modernes Gedicht an ein arabisches Schaupferd lauten würde. Ich vermute, es gibt viele Gedichte, die sich anhören wie die früheren Gedichte der Beduinen, die den Adel unserer Pferde, ihre Schönheit, Grazie unter dem Sattel und ihren sanften Charakter feiern. Aber was ist mit einem Gedicht an das moderne Schaupferd? Vermutlich würde das Gedicht von einem Trainer geschrieben werden, und nicht vom Besitzer, aber wie würde das Gedicht wohl gehen? Vielleicht in etwa so:

Oh edler Hengst
Wie schön Du bist!
Aug’ und Maul durch Make-up gedunkelt,
Dein Haar geschoren
durch die Schermaschine,
Wie tapfer Du bist, welcher Mut!
Vor mir zu stehen, zur Statue gefroren,
mit Angst im Herzen vor meiner Kette und meiner Peitsche.
Du zitterst in Gehorsam auf meine Befehle,
Und dennoch, reckst Du Dich nach mir, streckst Deinen Hals,
Deine Ohren aufmerksam, um die mögliche Strafe zu erkennen.
Und wenn wir fertig sind,
nimmst Du mein Streicheln auf Deinem Hals,
Ich freue mich!
Dein Leid hat Deinem Besitzer heute einen weiteren Preis gebracht.

Wollen wir, dass ein Gedicht über unsere Schauchampions so lautet?
Wir haben Hunderte von Jahren der Tradition in unseren Händen – eine Tradition, die uns die älteste und reinste Pferderasse der Welt beschert hat, geliebt von Menschen aller Länder und Religionen rund um die Welt. Traditionen, die uns sagen, dass wir dieses edle Pferd respektieren und ehren sollen.
Ist es nicht unsere heiligste Aufgabe, dieses Geschenk, das uns gegeben wurde, zu respektieren?
Cynthia Culbertson