Der Freizeitreiter – das unbekannte Wesen

Der Begriff des Freizeitreiters ist nicht wirklich definiert, genauso wenig wie das Zuchtziel “Freizeitpferd”. Genau das macht die Sache so schwierig. Im nachfolgenden Beitrag wollen wir ein wenig Licht auf die Fragestellung werfen, was der Freizeitreiter will und was der Züchter bieten muß.

Die Gruppe der Freizeitreiter ist in unseren Breiten zweifellos der größte Absatzmarkt für das arabische Pferd, und dennoch haben viele Züchter nur eine vage Vorstellung von dem, was diese Käufer denn eigentlich suchen. Das liegt zum einen daran, dass dieser Begriff nicht wirklich definiert ist – denn reiten wir nicht alle in unserer Freizeit (die wenigen Berufsreiter mal ausgenommen)? Zum zweiten liegt es daran, dass der Begriff eine große Bandbreite abdeckt, vom Schnäppchenjäger und Schlachtpferderetter bis hin zum anspruchsvollen Reiter mit Wettkampfambitionen ist alles darunter versammelt.

Wer ist ein Freizeitreiter?

Während die Schnäppchenjäger nicht einsehen, gutes Geld für ein gutes Pferd zu bezahlen – der Satz “Ich finanzier’ doch dem Züchter nicht sein Hobby” ist da mitunter zu hören – verstehen sich die Schlachtpferderetter als die Gutmenschen in der Pferdeszene. Beide Gruppen sollen nicht Gegenstand unserer Überlegungen sein, denn beide sind auf ihre Weise unbelehrbar. Aber es gibt zum Glück auch noch andere – Leute, für die das Pferd ein Partner ist, mit dem sie reiterlich etwas unternehmen wollen, seien es Austritte, Wanderritte oder auch Distanzritte. Leute, die Freude daran haben, ihr Pferd auszubilden, sei es klassisch, Western oder zirzensisch, wobei der Weg das Ziel ist, die gemeinsamen Stunden zählen, nicht irgendwelche Schleifen und Pokale. Diese Menschen hatten oftmals als Kinder oder Jugendliche schon Kontakt zum Pferd, hatten dann aber andere Prioritäten wie Beruf und Familie und kommen nun – als Wiedereinsteiger – zurück zum Pferd. Sie haben Freude daran sich fortzubilden und sie schätzen die Lebensqualität durch die gemeinsamen Stunden mit ihrem Pferd. Und dabei ist gerade der Araber im Vorteil, denn er eignet sich hierfür in idealer Weise, weil er dem Menschen zugewandt ist, und man mit ihm eine wirkliche Partnerschaft eingehen kann. Es gibt aber auch die bereits “Arabitis-Infizierten”, die sich in der Hochphase der Araberzucht vor 20-30 Jahren ihr erstes arabisches Pferd anschafften. Erinnern wir uns – 1995 hatten die Fohlengeburten in Deutschland ihren Höhepunkt, die meisten Pferde gingen auch damals schon in den Freizeitreitermarkt, und ihre Besitzer suchen nun nach einem Nachfolger. Diese beiden Gruppen – die Wiedereinsteiger und die Wiederholungskäufer gilt es zu bedienen.

Die Wiederholungskäufer

Die Wiederholungskäufer haben meist eine klare Vorstellung, wie ihr Nachfolge-Pferd sein soll – nämlich genau so wie der Vorgänger. Daher liegt es nahe, dass sich diese Klientel beim Züchter des ersten Pferdes umschaut – wenn es ihn noch gibt, denn derzeit grassiert ein “Züchtersterben”, das nicht zuletzt durch die nicht vorhandene Nachfolge verursacht wird. Da die meisten Araberzüchter nicht berufsmäßig züchten, vererbt man meist keinen “Betrieb”, sondern ein “Hobby” – und das ist schwierig. Wenn man also beim Züchter des ersten Pferdes nicht fündig wird, oder es diesen nicht mehr gibt, dann wird der Wiederholungskäufer dennoch diesen “Typ Araber” suchen, der wie sein erstes Pferd ist – doch dieser “Typus” ist 20-25 Jahre alt! Es gibt ihn zum Glück noch, den Allrounder unter den Arabern, der hübsch ist, ohne zu fein zu sein, und der im Umgang und im Gelände ein Verlasspferd ist. Nach meinem Eindruck wird sogar wieder vermehrt auf diese Eigenschaften und eine „alte“ Abstammung geachtet, aber man muss dennoch nach diesen Pferden suchen, denn sie sind die “Schätze in Deutschlands Ställen” und werden nicht für “einen Appel und ein Ei” angeboten.

Der Wiedereinsteiger

Ähnliches gilt für den Wiedereinsteiger, der früher zwar zum Pferd, aber nicht speziell zum Araber Kontakt hatte. Das “Pferdebild” dieser Menschen ist häufig noch von früher geprägt und abhängig von den jeweils gemachten Erfahrungen. Diese Menschen springen in erster Linie auf einen hübschen Kopf und einen menschenzugewandten, “positiven” Charakter an. Wobei das Bild vom “hübschen Kopf”, welches diese Käufer vor dem inneren Auge haben, meist nichts mit dem übertriebenen Hechtkopf gemein hat, wie er auf Schauen (bzw. Shows) favorisiert wird. Viele sind auch völlig überrascht, dass der wahre Charakter des Arabers nicht “spinnert” ist, sondern sanft und freundlich, häufig sind sie sogar ausgesprochen “cool”. Aber natürlich gibt es auch hier Unterschiede – Pferde aus Schaulinien sind leichter erregbar als solche aus erprobten Reitlinien.

Der Neueinsteiger

Wer sich als “Neueinsteiger” für einen Araber interessiert, also keine vorherige “Prägung” auf einen bestimmten Typus aufweist, der zählt meist zur jüngeren Generation und kommt über die größten Plattformen der Araberzucht zu dieser Rasse: die Shows bzw. deren Liveübertragungen. Diese Pferde prägen das Bild des Neueinsteigers, wie ein Araber auszusehen hat. Diese Gruppe kennt den Allrounder, der sowohl auf großen Schauen als auch auf der Rennbahn oder unter dem Sattel gewann, leider nicht mehr. Sie informiert sich zunehmend auch auf Facebook & Co., wo je nach Gruppen das “Schaumerkmal” des extremen Kopfes propagiert wird, nach dem Motto “je mehr ‘Dish’, desto besser”. In Deutschland ist dies eher eine Minderheit, aber in der globalisierten Welt des arabischen Pferdes bekommt man auch diese Einflüsse zu sehen.
Aber egal zu welcher “Kategorie” ein Käufer gehört – er sollte sich überlegen, was er mit seinem künftigen Pferd machen will. Wenn dann das Wort “reiten”, egal in welcher Form, vorkommt, so ist es von Vorteil, sich beim Kauf auch speziell dafür zu interessieren.
Wenn also “reiten” auf dem Programm steht, dann sollte man sich auch mit den Voraussetzungen auseinandersetzen, die ein Pferd mitbringen sollte, um diesen Erwartungen zu entsprechen. Es ist viel schwieriger, Defizite durch entsprechendes Training zu kompensieren, als von vornherein ein Pferd ohne diese Defizite zu kaufen.

Der richtige Partner Pferd

Aber wie geht man dabei vor? Grundsätzlich kann man sagen, dass ein Pferd mit sportlichen Erfolgen im Wettkampf, sei es Turnier oder Distanzritt, auch ein Pferd für den Freizeitreiter ohne Wettkampfambitionen ist. Ein französischer Züchter, der maßgeblich am Aufbau der Distanzszene in Frankreich beteiligt war, sagte mir einmal: “Wenn ich Pferde züchte, die 160 km an einem Tag unter Wettkampfbedingungen gehen können, dann kann ich mit diesen Pferden auch 30 km gemütlich in der Natur spazierenreiten.” Soll heißen: Wenn ich als Züchter höhere Ansprüche an das Pferd stelle, als es der Markt verlangt, dann kann ich es auch verkaufen. Nur umgekehrt funktioniert das nicht! Daher macht es als Käufer Sinn, insbesondere bei jungen Pferden zu fragen, welche Erfolge denn die Eltern oder Geschwister des Probanden haben – waren sie eher im Schauring zu Hause oder unter dem Sattel? Können sie Erfolge aufweisen oder wurden sie nur im “Verborgenen” geritten (wenn überhaupt)? Sind im Pedigree Pferde mit Hengst- oder Stutenleistungsprüfungen zu finden, mit Prämien- oder Elite-Titeln?
Es ist nicht immer einfach, die Spreu vom Weizen zu trennen. Denn leider werden auch Vollblutaraber, die für die Schau nicht “extrem” genug sind, dem ahnungslosen Käufer als Reitpferde angepriesen, bei denen weder Eltern noch Großeltern auch nur einen Sattel auf dem Rücken hatte. Wer also selbst nicht die nötige Fachkenntnis hat, ein gutes Pferd zu erkennen, der sollte sich professionellen Rat holen bzw. zur Besichtigung jemanden, der sich auskennt, mitnehmen.
Es gibt Leute, die recherchieren für ihren neuen Fernseher stunden- und tagelang, um das beste Modell zu finden. Ein Pferd aber liegt in der Regel preislich höher und ist eine Anschaffung für die nächsten 20-25 Jahre. Daher ist die Zeit, die man in die Recherche nach geeigneten Blutlinien und Züchtern investiert, keine verlorene Zeit!
Gudrun Waiditschka