In Memoriam – Gisela Bergmann

Bereits im August 2020 starb Gisela Bergmann in ihrer Wahlheimat Tunesien. Die gebürtige Deutsche war in den 1960er Jahren mit ihrem Mann dorthin ausgewandert. Beide waren in der Entwicklungshilfe tätig, ihr 2004 verstorbener Ehemann, war Agraringenieur und hatte einen Vertrag mit dem Nationalen Institut für Agrarforschung von Tunis, um ein Projekt zur Bewässerung des oberen Tals der Medjerda durchzuführen. Bald entdeckten sie ihre Liebe zu den einheimischen arabischen Pferden und Sloughis. Im Nordwesten Tunesiens, nahe der algerischen Grenze bauten sie sich in Ghardimaou das Gestüt Barakat mit Pferden auf, die aus dem Süden des Landes kamen, aus der Gegend von Maknassy. Diese ursprünglichen tunesischen Araber können ihre Linien teilweise zurückverfolgen auf Pferde, die Frédéric Lovy anfangs des 20. Jahrhunderts aus Saudi Arabien und Syrien importierte. Gisela Bergmanns Zucht begann mit einem schwarzen Fohlen, das sich zu ihrem Reitpferd entwickelte, und das sie später rund 2000 km pro Jahr geritten hat, unter anderem auch auf Wanderritten, die sie für ausländische Touristen anbot.

Es war 1994, als ich Gisela Bergmann kennenlernte. Ich war auf Einladung des Tourismusministeriums in Tunesien, und als unser Presseverantwortlicher erfuhr, dass ich mit Gisela Richtung algerische Grenze fahren wollte, war er hell entsetzt – das wäre viel zu gefährlich! Ich setzte mich auf „eigenes Risiko“ von der Gruppe ab, traf mich mit Gisela in Sidi Thabet und gemeinsam fuhren wir mit ihrem alten klapprigen Pickup nach Ghardimaou. Schon der Weg dorthin war spannend, denn wir sahen am Straßenrand einen großen Karton und irgendetwas, das sich im Gras bewegte. Gisela ahnte wohl gleich, was es war und hielt an: Vier kleine Kätzchen konnten auf diese Weise gerettet werden und fanden ein neues Zuhause bei ihr auf Gestüt Barakat.

Ihre Pferde waren beeindruckend, vor allem deshalb, weil ich selten eine so einheitliche Zuchtherde gesehen habe. Die Stuten fanden wir an einem kleinen Bach, der malerisch von blühendem Oleander gesäumt wurde. Alle waren dunkelbraun, kaum Abzeichen, einheitlich im Aussehen, Form und Größe. Sie legt Wert darauf, daß diese Pferde von „Wüstenpferden“ abstammen, die in einem heißen Klima und unter rauhen Umweltbedingungen aufwachsen – außerdem sind die meisten dieser Pferde auf Leistung selektiert, sei es auf der Rennbahn oder auf den langen Wanderritten, ähnlich wie es die Wanderungen der Beduinen früher darstellten. „Schönheit“ war kein Kriterium, und dennoch waren sie schön. Kein moderner Typ, nein, aber ausdrucksstark, edel und trocken. Bei dieser besonderen Selektion und durch die Umweltbedingungen haben sich spezielle Eigenschaften erhalten, die vielleicht in anderen Populationen nicht mehr vorhanden sind, so zeichneten sie sich diese Pferde beispielsweise besonders durch eisenharte Hufe aus. Und sie waren extrem langlebig – daß Pferde bei Gisela über 30 Jahre alt wurden, war keine Seltenheit.

2004 war ich das letzte mal in Tunesien und traf Gisela in Sidi Thabet, leider hatte ich nicht genügend Zeit für einen Ausflug nach Ghardimaou. Jahre später hatte sie große finanzielle Probleme, und die Zucht und Haltung der Pferde hing am seidenen Faden. Aber Gisela war eisern und nicht unterzukriegen, auch wenn ihr Leben hart und entbehrungsreich war. 2013 hatte sie noch 14 Pferde. Sie erhielt keinerlei Unterstützung von offiziellen Stellen. Freunde, die ihr helfen wollten, schlugen vor, dass sie nach Tunis ziehen solle: „Jeder möchte, dass ich nach Tunis gehe, aber ich will das nicht. Ich habe hier in Ghardimaou meine Wurzeln. Ich lebe hier mehr als die Hälfte meines Lebens“, sagt sie einmal in einem Interview mit der La Presse de Tunisie. Nun starb sie im Alter von 87 Jahren – möge sie in Frieden ruhen.
Gudrun Waiditschka