Das richtige Zuchtziel

Sommerzeit ist Fohlenzeit – und mit einem Fohlen geht so mancher Züchtertraum in Erfüllung – oder aber er zerplatzt wie eine Seifenblase. Denn vielfach erfüllt sich ein Züchter mit einem Fohlen einen ganz persönlichen Traum. Den Traum einer ganz speziellen Anpaarung. Den Traum, eine immens seltene Linie zu erhalten. Den Traum, einmal den großen Coup zu landen und mit diesem Pferd im Scheinwerferlicht zu stehen. Oder den Traum, ein reelles, unkompliziertes, arabisches Reitpferd zu züchten.
Solange das Fohlen im heimischen Stall verbleiben soll, sind alle diese Gründe gleichwertig zu betrachten. In dem Moment aber, in dem das Fohlen früher oder später verkauft werden soll, gibt es auch andere Faktoren zu beachten, denn dann ist man auch auf den „Markt“ angewiesen. Dieser besteht jedoch hauptsächlich aus (Freizeit-)Reitern, und nur zu einem geringen Teil aus Züchtern. Es sind aber in erster Linie die Züchter, die ein Pferd wegen seiner Abstammung, dieser ach so seltenen Linie, oder dieser ganz speziellen Anpaarung kaufen. Lohnt es sich also, für diesen speziellen „Züchtermarkt“ zu züchten, wo doch insbesondere junge Züchter, die sich erst eine Zucht aufbauen wollen, immer seltener werden?
Der Absatzmarkt ist also eher im Freizeitreiterbereich zu suchen. Der Freizeitreiter wiederum weiß nicht zu würdigen, welch seltenes, edles Blut in seinen Stall kommen soll. Vielmehr orientiert sich der Reiter am Pferd, so wie es vor ihm steht und sich ihm gegenüber verhält. Eventuell fragt er auch gezielt nach gerittenen Vorfahren, denn der eine oder andere hat bereits die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass Selektion auf Gelassenheit, Haltbarkeit und Rittigkeit wichtiger sind, als ein gedishter Kopf. Wo also der Züchtertraum – ein unkompliziertes Reitpferd – auf Marktrealitäten trifft, ist alles in Ordnung. Wo die seltene, zu erhaltende Blutlinie sich in einem unkomplizierten Reitpferd manifestiert, auch. Wo aber der Züchtertraum nur für den Züchter einen Wert hat, nicht aber für den Markt, da braucht man sich nicht zu wundern, wenn es mit dem Verkauft hapert, oder das Pferd unter Wert hergegeben wird – werden muss, weil sich sonst kein Käufer findet. Gerade im Moment ist der Markt für Pferde, die für den Freizeit- oder Sportbereich wirklich geeignet sind, so gut wie schon lange nicht mehr – und auch für richtig gutes Geld.
„Der Markt ist mir egal, ich züchte was ich will“, ist bisweilen eine egoistische Einstellung, denn wir alle sind nicht vor den Unbillen des Lebens gefeit: Krankheit, Scheidung, Tod – all dieses kann unser Leben von heute auf morgen umkrempeln, kann es notwendig machen, dass wir uns von unseren Pferden trennen müssen. Notverkäufe sind per se schlimm genug. Wenn dann aber das Pferd nicht „marktgerecht“ ist, oder in jungen Jahren schon einige Mängel hat, wie z.B. ein schwacher Rücken, mangelnde Rittigkeit oder Durchtrittigkeit, weil bei der Zucht einzig auf ein hübsches Gesicht Wert gelegt wurde, wird es umso schwieriger, einen Platz zu finden. Züchten Sie also vorausschauend – und das fängt mit der richtigen Zuchtwahl, dem richtigen Zuchtziel an.
Gudrun Waiditschka