Eine Zukunft für traditionelle Blutlinien

Den traditionellen Rennlinien eine Zukunft zu ermöglichen, ist eines der Ziele des “Heritage Arabian Racing Club (HARC)”. Mit einer Rennszene, die dominiert wird von ein paar wenigen Blutlinien aus Frankreich, Saudi Arabien und USA, sind die traditionellen Blutlinien, die oft die Zucht einer ganzen Nation charakterisiert haben, am Rande des Aussterbens. HARC, die Initiative von Scheich Sultan, versucht, ihnen einen Wert zurückzugeben.

Vor etwa einem Jahr wurde der Heritage Arabian Racing Club (HARC) durch Sheikh Sultan Bin Zayed Al Nahyan in Abu Dhabi gegründet, um “die klassischen Eigenschaften des Vollblutarabers zu erhalten”. Um dieses Ziel zu erreichen, ist man übereingekommen, dass ein HARC-Pferd jeder Vollblutaraber ist, der in einem WAHO-anerkannten Stutbuch registriert ist, und nicht das Blut eines der folgenden Hengste in irgendeiner Generation seines Pedigrees führt: Amer, Baroud III, Burning Sand, Dragon, St.Laurent und Tiwaiq. Mit der Schaffung dieser Definition hat der HARC nicht die Absicht, die Überlegenheit oder Unterlegenheit von gewissen Blutlinien zu unterstellen, und er anerkennt auch die WAHO als die ultimative Autorität in Sachen Stutbuch. Vielmehr ist das Ziel von HARC, Rennen für alle Araber zu fördern als Teil einer Selektion, wie sie traditionell in verschiedenen Ländern über Jahrhunderte durchgeführt wurde, um die unverwechselbaren Eigenschaften und Qualitäten der Rasse, ähnlich wie die Geschwindigkeit zu erhalten. Um dies zu erreichen, wurden 2015 erstmals Sponsorgelder an die einzelnen Mitgliedsländer ausbezahlt.
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HARC-Sitzung und Überblick

Im Februar dieses Jahres trafen sich die Vertreter von elf Rennvereinen aus aller Welt in Abu Dhabi, um den derzeitigen Stand der Rennen mit traditionellen Blutlinien in ihren jeweiligen Ländern zu erörtern. Aus ihren Berichten wurde ersichtlich, dass die Situation in jedem Land unterschiedlich ist. Einige Länder, wie Australien und Brasilien sind relativ neu im Renngeschäft und haben daher kaum “Problempferde”, d.h. 99 % der Blutlinien in Australien wären teilnahmeberechtigt an HARC-Rennen. In diesen Ländern wird das Sponsorship dazu verwendet, allgemein das Interesse am Rennsport mit arabischen Pferden zu fördern. Auch in den USA wurden Anreize entwickelt, damit neue Leute aus der Schaupferdeszene am Rennsport teilnehmen. Diese Anreize beinhalten auch Seminare, Webinare und Schlüsselveranstaltungen, um den Sport bekannter zu machen.
In Großbritannien hat die Anzahl der arabischen Rennpferde über die letzten fünf Jahre abgenommen. Leider gibt es derzeit nur 12 Pferde, die für HARC-Rennen teilnahmeberechtigt sind, zu wenige, um eigene HARC-Rennen auszuschreiben. Daher hat man ein Bonus-System eingeführt, um das Interesse zu wecken. Von den 67 Araberrennen hatten 40 den HARC-Bonus ausgeschüttet. Eine andere Idee ist, die Distanzreiter mit HARC-Pferden zu ermutigen, an HARC-Rennen teilzunehmen. Die Situation in Russland ist ähnlich, hier hat man eine etablierte Renntradition, aber die große Mehrheit der (ca.) 200 Pferde im Training im letzten Jahr, hatten alle einen der “ausgeschlossenen Hengste” im Pedigree; nur 22 Rennpferde hatten ein HARC-Pedigree. Nichtsdestotrotz hat man vier erfolgreiche HARC-Rennen letztes Jahr durchgeführt und die Anreize von HARC tragen Früchte, denn die Züchter suchen HARC-Pferde, mit denen sie in den Rennsport zurückkehren können: Für 2016 werden ca. 50 HARC-Pferde im Training erwartet und das Gestüt Tersk hat sieben HARC-Hengste gekauft, um sicherzustellen, dass gewisse Linien überleben. In Belgien gibt es ähnliche Schwierigkeiten, da es zu wenige HARC-Pferde in Europa gibt. Für 2016 sind nun 6 Pferde in Belgien im Training – ein direktes Ergebnis des HARC-Sponsorships.
Die Lage in Polen ist sehr viel besser, denn hier gibt es eine etablierte Rennszene mit 315 HARC-Pferden und 214 Rennen auf drei Rennbahnen. Privatzüchter hatten bereits versucht andere Ideen für Schaupferde, die auf die Rennbahn gehen, umzusetzen, so dass es definitiv ein Interesse an HARC-Rennen gibt, vorausgesetzt sie widersprechen nicht euorpäischen Regeln. Ähnliches kann man von Ägypten sagen, wo im letzten Jahr 240 Pferde für den Rennsport registriert waren, die meisten davon aus ägyptischen Linien. In Tunesien wurden letztes Jahr 400 Rennen gelaufen mit jeweils 10-12 Pferden. Sie haben sich 25% der alten traditionellen Blutlinien erhalten (siehe auch den Artikel über “Die Wüstenaraber in ihrem Heimatland” in dieser Ausgabe) und das gesamte Sponsor-
ship wurde an einem Rennen ausgeschüttet, statt es auf viele kleine Rennen aufzuteilen.
Marokko scheint eines der wichtigsten Länder für den Rennsport mit arabischen Pferden zu sein, dort gab es 556 offene Araberrennen, aber die Rennpferdezucht ist stark durch Frankreich beeinflußt. Dennoch plant man, in der Zukunft auch HARC-Rennen aufzunehmen.

Mehrwert für die Pferde

Es ist interessant – und wichtig zu verstehen – dass die Situation in jedem Land anders ist. In einigen Ländern besteht keine unmittelbare Gefahr, dass sie ihre traditionellen Rennlinien verlieren könnten. Für andere ist es fünf vor zwölf, oder auch schon fünf nach zwölf. Aber warum ist es, unter genetischen Gesichtspunkten, so wichtig, dass wir diese alten Rennlinien erhalten, die nicht schnell genug sind, um z.B. mit den französischen Pferden mit Manganate im Pedigree mitzuhalten?
Seit Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten, hatten Rennen in Ländern wie Polen und Russland den Zweck, nicht das schnellste Pferd herauszuselektieren, sondern mit Hilfe der Rennen die Eigenschaften des arabischen Pferdes zu erhalten, die “nicht sichtbar” sind: Muskelbildung und -beschaffenheit, Härte der Bänder und Sehnen, aber auch Funktionalität von Herz und Lunge. Die Beschaffenheit dieser „inneren Werte“ ist nur unter Belastung zu erkennen, wie z.B. im Renntraining. Wenn wir uns nur auf einige wenige Blutlinien konzentrieren, die hervorragend laufen und das große Geld verdienen, werden die traditionellen Linien trotz all ihrer inneren Werte verloren gehen, weil sie kein Geld einbringen. Wenn wir ihnen die Möglichkeit geben, sich untereinander zu messen, und dem Sieger etwas Geld geben, werden auch die Züchter diese Linien weiterhin züchten. Russland ist dafür ein gutes Beispiel: Hier hat sich die Anzahl der Pferde seit dem letzten Jahr verdoppelt, nur weil die Aussicht besteht, auch mit den traditionellen Linien etwas Geld zu gewinnen. Denn sehr oft fühlen sich die Züchter emotional stärker mit den traditionellen Linien verbunden – die oftmals auch als nationales Erbe betrachtet werden – denn mit den Importen.
Natürlich schaut die allgemeine Rennsportgemeinde kritisch auf das, was der HARC macht, und einige fühlen sich ausgeschlossen, denn sie behaupten, HARC diskriminiert gewisse Blutlinien. Warum auch nicht? Jeder, der eine Schau für “Straight Egyptian” organisiert, diskriminiert auch die anderen Blutlinien. Wo immer es Einschränkungen gibt, gibt es Diskriminierung – aber so lange man anderen, d.h. der allgemeinen Rennsportgemeinde, nichts wegnimmt, sondern nur an gewissen Punkten etwas hinzufügt, besteht kein Grund zur Panik. Insbesondere, da diese Bewegung Rennsportbegeisterte, die den Rennsport bereits aufgegeben haben, wieder zurück in die Szene bringen könnte. Oder es lassen sich sogar neue Leute für den Rennsport gewinnen – was am Ende für alle, auch die allgemeine Rennsportgemeinde, positiv wäre. Daher ist der Zweck des Clubs, diejenigen zu unterstützen und zu fördern, die den Vollblutaraber von traditionellem Typ und Blutlinie erhalten wollen und damit langfristig das Überleben der besonderen Araber-Eigenschaften sichern: Dazu zählen im weitesten Sinne Schönheit, athletische Eigenschaften, Gesundheit und Vielseitigkeit.

Besuch im Gestüt W’rsan Stables

Um zu sehen, worum sich eigentlich alles dreht, wurden die Sitzungsteilnehmer ins Gestüt W’rsan Stables von HH Sheikh Sultan Bin Zayed Al Nahyan eingeladen. Hier züchtet er Renn- und Distanzpferde mit traditionellen Blutlinien. Das Gestüt wurde gegründet, als Sheikh Sultan die Rennlegende Monarch AH (Wiking / Sasanka), zusammen mit einigen der besten Pferde des Gestüts Magnuss Arabians in den USA kaufte. Es folgten einige erstklassige russische Zuchtstuten und kürzlich auch einige russische Hengste, Dilijans und Nitagor. Natürlich kannten die meisten Besucher die “lebende Legende” Monarch AH und seine Leistung. Er hat nicht weniger als 19 von 23 Rennen gewonnen und gewann mehr als 200.000 USD an Preisgeld Anfangs der 1990er Jahre. Er hat ein rein polnisches Pedigree und stammt aus der besten polnischen Rennlinie, der Sabellina. Es war schön zu sehen, dass er noch immer fit ist, trotz seines Alters von 29 Jahren. Ein weiterer Seniorenhengst ist Tron Ku Tu, geboren 1990, ein Sohn Flaming Tron Ku, der letztere war ebenfalls eine Rennlegende in den USA und hat in 25 Rennen, in denen er 17mal siegreich blieb über 100.000 USD gewonnen. Die jüngeren Zukäufe kamen aus Russland und beinhalteten den herrlichen Hengst Nitagor (v. Gordon) aus dem Gestüt Tersk und Dilijans (v. Anchar), gezogen von Chrenovoje. Dilijans gewann 9 von 10 Rennen bevor er 2014 in die UAE verkauft wurde. Nach unserem Besuch kamen noch weitere Hengste aus Russland an, Dostatok (v. Status) mit einer Lebensgewinnsumme von über 1,7 Mio Rubel, und Nargil Tersk (v. Gabon) welcher derzeit für die Rennbahn trainiert wird.
Abgesehen vom Rennsport, sind auch immer einige Pferde in Reitausbildung und zeigen sehr gute Leistungen in der Dressur. Sie sind sogar regelmäßige Gäste an europäischen Turnieren geworden, und Al Khattar W’rsan gewann zwei Bronzemedaillen am Europa-Championat letztes Jahr in Janow Podlaski, während Muteeaa W’rsan dieses Jahr drei Goldmedaillen an der offenen österreichischen Meisterschaft gewann (siehe Seite 54). Beide Pferde wurden von Line Moen geritten.
Sheikh Sultans Ziel ist es, schöne arabische Sportpferde zu züchten. Daher werden alle Pferde einem Training, entweder für Rennen, Distanz oder Dressur unterzogen, bevor sie in die Zucht gehen. Die Tatsache, dass beide oben genannten Dressurpferde den Rennhengst Monarch AH zum Vater haben, zeigt, dass man sich bei der Leistungszucht nicht auf eine Disziplin spezialisieren muß. So lange man nicht nach den Extremen strebt, sondern bei den traditionellen Blutlinien bleibt und die traditionellen Selektionsmethoden anwendet, wird man auch ein vielseitig veranlagtes Sportpferd erhalten, welches der Araber im Grunde seit seiner Zeit bei den Beduinen ist.
Gudrun Waiditschka

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