Kommentar zu den WEG – Verraten und verkauft


Fassungslosigkeit, Wut, Proteste, Rücktritte, ziviler Ungehorsam. Die WEG 2018 hat alle Befürchtungen der Distanzsportler übertroffen. Veranstalter, Offizielle und die FEI haben sich an Inkompetenz selbst übertroffen.

Hilfsangebot aus UAE

Wäre es nicht zum Heulen, könnte man drüber lachen. Spanien und Frankreich trennten noch rund 20 km von einem Medaillenregen (wie viele Kilometer weiß keiner aufgrund der Irrungen und Wirrungen so genau). Die dem Hauptsponsor Meydan nahestehenden Reiter den UAE hingegen alle ausgeschieden. Die FEI brach das Rennen kurzerhand ab. Die Begründung: Das Wetter wäre aufgrund eines berechneten Index für die vierbeinigen Athleten zu gefährlich.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Natürlich bot sich Meydan sogleich großzügig als Sponsor einer Ersatz-WM an – in Dubai oder Europa, wo man sich längst eingekauft hat in Veranstaltungen, die durch ihr flaches Geläuf hohe Geschwindigkeiten erwarten lassen und damit besser ins eigene Konzept passen. In den Netzwerken wurde der Verdacht geäußert: Wenn sie die Spitzenpferde schon nicht kaufen können, stellt man sie einfach kalt. Denn die haben nun etwa 140 km (100 gewertete Kilometer) unter äußerst schwierigen Bedingungen in den Knochen und sind nicht so schnell wieder einsetzbar. Die arabischen Länder hingegen verfügen über weitaus mehr relativ schnell einsetzbare Spitzenpferde.
Der skandalöse Fehlstart, bei dem die Reiter auf verschiedene Runden geschickt wurden und das Rennen nach 40 km angehalten und neu gestartet wurde, war nur der Beginn eines Versagens auf ganzer Linie. Ein fairer Wettbewerb war so nicht mehr möglich, das Rennen hätte genau zu diesem Zeitpunkt abgebrochen gehört oder es hätte nach anderen Lösungen gesucht werden müssen. Die Pferde hatten unterschiedlich viele Kilometer und verschiedene Pausenzeiten in den Knochen. Darüber hinaus verlor das Championat seine Sterne und konnte somit kein richtiges Championat mehr sein.
Schon im Vorfeld gab es reichlich Kritik. Das Veranstaltungsgelände war immer noch Baustelle, der Boden für Vetgate, Grooming Aerea und Pause gänzlich ungeeignet, eine Streckenbesichtigung verboten – (man stelle sich das zum Beispiel bei den Spring- oder Vielseitigkeitsreitern vor), die Streckenposten nicht ausreichend geschult und informiert, so dass sie den Reitern unterwegs vor laufenden Kameras nicht die richtige Richtung zeigen konnten, sowie die Informationspolitik desolat. Es folgte nach den sich widersprechenden Informationen über das Ausscheiden des arabischen Favoriten das Abschalten der öffentlichen Zeitnahme (mal eliminiert, mal nicht), so dass Ritt, Zeiten und Werte nicht mehr online verfolgt werden konnten. Stattdessen der Hinweis, dass die Ergebnisse am Ende des Rittes veröffentlicht werden würden. Die Firma, die für die Zeitnahme verantwortlich zeichnete, ist ein Unternehmen der UAE …

Das Wetter war schuld …

Ja, das Wetter war sicher sehr schwierig und die Pferde brauchten deutlich länger als sonst, um den erforderlichen Puls zu erreichen. Das war offensichtlich. Doch während man im tropischen Malaysia das Rennen im Regen trotz gefährlicher Blitzeinschläge auf dem unter Wasser stehenden Gelände weiterlaufen ließ, wurde dieses nun gestoppt. Bei der Liveübertragung waren indessen vorwiegend munter wirkende Pferde in gutem Zustand zu sehen. Alternativ wäre vielleicht ein erneutes Hochsetzen der Höchstzeit und eine Verschärfung der Untersuchungen möglich gewesen? Eine Verlängerung der Pausenzeiten? Oder eine Wertung in der jetzigen Reihenfolge? Noch sinnvoller hingegen wäre gewesen, die WEG erst gar nicht an einen solchen Ort zu vergeben! Dort, wo zu dieser Jahreszeit schwül-heißes Wetter nichts Ungewöhnliches ist? Der Verdacht liegt zumindest nahe, dass der FEI das Wetter gerade recht kam, um eine ausreichende Begründung für den Abbruch zu haben. Und angeblich setzten sich die UAE schon nach dem Ausscheiden ihres Favoritens für eine Petition ein, das Rennen abzubrechen und zu verschieben.
Wie dem auch sein. In den Netzwerken wird die Vermutung geäußert, dass diese Entscheidung sicherlich reich entlohnt wurde. Der Frust der Reiter und Teams, die nicht nur einen hohen zeitlichen, sondern auch finanziellen Aufwand betrieben haben, ist verständlich. Für die Profis unter ihnen beläuft sich der Schaden sicher auf noch höhere Summen, werden doch erfolgreiche Pferde hoch gehandelt. Es dauert Jahre, Pferde solide auf solche Events vorzubereiten. Der französische Starreiter Jean-Philippe Frances, der hier um den Titel ritt, verkündete das Ende seiner aktiven Karriere mit den Worten, „dass der Sport am Boden angekommen wäre“.
Der internationale Distanzsport steht nun endgültig an einem Scheidepunkt. Viele sprechen schon von einer Zeit vor und einer nach Tryon. Will sich der Sport das alles wirklich gefallen lassen und einfach kapitulieren? Oder kommt er endlich runter von dem Ast, den er sich gerade selbst absägt? Die internationalen Akteure müssen sich entscheiden, ob sie gemeinsam etwas bewegen und zu einem sauberen, fairen Sport zurückkehren wollen. Vielleicht ohne Glanz und Glamour und ohne hohe Preisgelder, dafür aber ein Sport, der diesen Namen auch noch als solchen verdient.

Zurück zu fairem Sport
Dass empörte Reiter nach der Entscheidung via Pferd das Vet-Gate enterten und mit Stinkefinger unter dem Jubel der Crews und Reiter im Galopp ihre Runden drehten, wird sicher Konsequenzen haben. Im Zweifel wird ihnen das egal sein. Denn wer will noch unter solch unfairen Bedingungen an den Start gehen?
Es dreht sich nicht darum, ob es richtig oder falsch war, den Ritt abzubrechen. Von außen ist das schwer zu beurteilen. Es wird wie immer viele Wahrheiten geben und viele Fragen, die nie geklärt werden. Die FEI wird den Abbruch später mit den vielen, behandelten Pferden begründen. Dazu sollte man wissen, dass ausgeschiedene Pferde auf internationalen Ritten generell dem behandelnden Veterinär vorgestellt werden muss und dieser natürlich in Anbetracht des anstehenden Rückfluges viel früher zu Infusionen greifen als sonst.
Es dreht sich vielmehr darum, dass wir ein schärferes Reglement benötigen, das auch eingehalten wird, kompetentere Entscheidungsträger, viel höhere Sperren bei Missbrauch und Doping. Eine FEI, die sich für die Belange des Sports einsetzt ihm den nötigen Respekt entgegen bringt und einen fairen Rahmen bietet für Pferd und Reiter. Mit Baulärm, wechselnden, zu kalten Ställen und mangelnden Bewegungsmöglichkeiten der Pferde war Tryon das neben dem Fiasko am Ritttag selbst sicherlich nicht.
Es regt sich Widerstand in der Szene. Hoffen wir, dass er nicht im Frust verebbt, sondern zu konstruktiven Lösungen beiträgt.
Ist’s a shame. Es ist Zeit, etwas zu ändern.
Cornelia Koller