Die Rossebändiger in Stuttgart

Reiterstandbilder finden sich in vielen Städten, und auch die Rossebändiger waren ein beliebtes Sujet im 19. und 20. Jahrhundert. Dass dazu aber arabische Pferde Modell standen und die Skulpturen die arabische Pferdezucht eines Königs würdigen sollten, das ist eher ungewöhnlich.

König Wilhelm I. von Württemberg war ein begeisteter Reiter und Züchter arabischer Pferde – was liegt da näher, als diese Leidenschaft in Stein meißeln zu lassen? Bereits 1825 erteilte er daher dem Hofbildhauer Johann Heinrich Dannecker den Auftrag, eine Kopie der bekannten Rossebändiger vom Monte Cavallo in Rom zu erstellen. Doch Dannecker hatte Bedenken, ob sich dieses in Stein verwirklichen lassen würde. Der Bildhauer Ludwig Hofer überzeugte schließlich den König, dass eine Originalgruppe ein viel würdigeres Denkmal für die Bemühungen seiner Majestät um die Verbesserung der Pferdezucht sein würde, und so erhielt er 1842 den Auftrag zu einer “colossalen Pferdegruppe in Gusseisen”.

Vielleicht hatte man sich von Peter Jacob Clodt von Jürgendsburgs Rossebändigern inspirieren lassen, die 1841 an der Anitschkow-Brücke in St. Petersburg aufgestellt wurden und von denen eine Kopie ab 1842 auch in Berlin zu sehen war. Diese zeigten – wenngleich es vier Pferde sind – ganz ähnliche Szenen. Und man sagt, es sei ein arabischer Hengst Modell gestanden. Von Hofer konnte schließlich den König überzeugen, dass eine Originalgruppe in Marmor, die eine Würdigung der züchterischen Arbeit des Königs darstellte, viel angemessener sei, und machte sich ans Werk.
Von 1843 bis 1844 unternahm er zu diesem Zweck lange Zeit anatomische Studien in der Tierarzneischule in Stuttgart und wählte sich seine Modelle aus den edelsten arabischen Pferden des königlichen Leibstalls aus, benützte zum Modellieren der Köpfe allein fünf verschiedene Pferde. Zum Steigen stand ihm einer der schönsten Hengste, Bagdadi von Bairactar, Modell; er stand ihm ein Jahr zur Verfügung und leistete große Dienste, weil er aus eigenem Antrieb stieg.
Nachdem die Gipsmodelle der Rossebändiger genehmigt waren, machte sich von Hofer von 1845 bis 1847 an die Ausführung in Carrara-Marmor, wozu er eigens eine Zeitlang in Italien lebte. Er veranschlagte für den Transport der Modelle, den Kauf der Marmorblöcke und die Bearbeitung derselben 26.550 Gulden, doch war schon allein der Marmor 1800 Gulden teurer als veranschlagt. Eine stolze Summe, entsprach dies doch in etwa dem Jahresetat des Gestüts, ausgelegt für 165 Pferde oder heute rund 500.000 €!
Doch um Ostern 1847 war es so weit, die fertigen Statuen konnten von Carrara nach Livorno transportiert werden, von dort sollte es per Schiff durch die Straße von Gibraltar nach Rotterdam gehen, über Rhein und Neckar nach Stuttgart. Allerdings hatte keiner damit gerechnet, dass in Heilbronn das Schiff mit seiner Ladung aufgrund ihrer Höhe nicht die obere Kanalbrücke passieren konnte. Es mußte ein Teil des Brückengewölbes entfernt, und für die Zeit eine Ersatzbrücke gebaut werden, was allein schon 1000 Gulden kostete. Außerdem lief das Schiff mehrmals auf Grund und mußte freigeschleppt werden. Aber trotz aller Schwierigkeiten traf die Skulpturengruppe im Mai 1848 in Stuttgart ein und konnte feierlich enthüllt werden. Das Kunstwerk hatte bis dahin rund 90.000 Gulden (oder 1,7 Mio Euro) gekostet und kritische Stimmen äußerten Unverständnis über die hohen Kosten in einer von Not und Armut gezeichneten Zeit. Aber der König hing viel zu sehr an seiner Pferdezucht, als dass solche Kritik ihn zu Sparmaßnahmen verleitet hätte, zumal er sowohl sein Gestüt als auch diese Skulpturen aus seiner Privatkasse finanzierte.

Carl Büchele (1858) schrieb über die Rossebändiger: „Die Körpermasse der beiden Pferde ruht auf einem Baumstamm, der Vorderleib und Kopf ist kühn in die Höhe gerichtet, einer der Hinterfüsse auf der äussersten Blende aufgesetzt, der Schweif, allerdings schwer auszuführen, scheint eher aus Federn als Haaren zusammengesetzt; die Wärter, der eine halb angekleidet, der andere nackt, stehen, sich rückwärts anstemmend, an die Seite der Pferde gelehnt, in einer Haltung, welche andeutet, dass sie mit dem hinzugedachten Zaum die Wildheit derselben bändigen und sie zur Ruhe bringen wollen. Die Gruppe ist voll Kraft und Leben, der Charakter nach der Natur gezeichnet, die Haltung wahr und effectvoll, jedes Glied, jeder Muskel bis in’s Detail vollendet; die menschlichen Körper sind etwas derb, aber gut proportionirt und stehen in schöner Harmonie mit dem Geist der Handlung… Und wenn er [von Hofer] bei seinem Werke die Absicht hatte, einer spätern Zeit, wo vielleicht die arabischen, die schönsten lebenden Pferde, durch Ungunst der Umstände, des Klima’s, der Pflege oder dergl. degenerirten oder wenigstens in Form sich änderten, plastisch zu zeigen, wie weit die Zucht dieser Thiere unter König Wilhelm gediehen war, und wie dieselben ausgesehen haben, so dürfte ihm die Erreichung dieses Zieles wohl gelungen seyn, und nur die Frage sich vielleicht noch anknüpfen, warum er ihnen nicht auch arabische Wärter beigegeben hat.” Und der “Schwäbische Merkur” von 1848 bemerkte: “Als ideale Werke des Meißels sind sie ohne Zweifel die bedeutendsten Werke ihrer Art in der neueren Kunst. Kenner reihen sie den antiken Kolossen auf Monte Cavallo und den beiden Gruppen auf dem Konkordiaplatz in Paris an.”
Gudrun Waiditschka