Die Kunst des Verkaufens

Editorial

Ich kenne etliche Züchter, die züchten 4-5 Fohlen pro Jahr und sind ausverkauft. Andere dagegen bieten ihre Fohlen wie Sauerbier an. Da kommt schnell die Frage auf: Worin liegt der Unterschied? Welche Faktoren spielen beim Pferde(ver)kauf eine Rolle?
Gehen wir einmal davon aus, zwei Züchter, A und B, hätten zwei Jungpferde gleicher Qualität. Züchter A hat sich über 20 Jahre hinweg einen guten Ruf erarbeitet. Er hat Kontakt mit den früheren Käufern gehalten, sich berichten lassen, wie sich deren Pferd entwickelt hat, gegebenenfalls welche sportlichen Erfolge es errungen hat. Wenn man als Züchter eine freundschaftliche Beziehung zum Käufer aufrecht erhält, dann empfiehlt dieser auch gerne den Züchter weiter – immer vorausgesetzt, dass er mit dem Pferd zufrieden ist. Mund-zu-Mund-Propaganda war schon immer die beste Werbung. Züchter B gibt eine Anzeige mit schlechten Fotos bei E-horses auf, und wundert sich, dass er nur Schnäppchenjäger anlockt – wenn überhaupt.
Für Züchter A gilt: Jeder Topf findet sein Deckelchen, und auch wenn es manchmal etwas länger dauert, es kommt schon noch der richtige Käufer, bei dem man das Gefühl hat “die passen zusammen”. Und ja, ein Züchter sollte sich seine Käufer genau ansehen – persönlich. Das ist er dem Pferd schuldig. Und wenn das Bauchgefühl sagt, das passt nicht, dann sollte der Kauf auch nicht zustandekommen. Er befragt den potentiellen Kunden auch nach dessen Erwartungen an das Pferd, denn nur wenn man als Züchter bzw. Verkäufer die Erwartungen des Käufers kennt, kann man ihn fachgerecht beraten, ob das betreffende Pferd diese auch erfüllen kann. Umgekehrt ist es auch wichtig, dass der neue Besitzer dem Pferd die Möglichkeit gibt, sich entsprechend zu entwickeln – am besten durch eine fundierte Ausbildung – damit es sein Potential auch ausschöpfen kann. Wenn beispielsweise der Käufer ein Pferd mit großem Gangvermögen sucht, und das betreffende Pferd dieses auch anbietet, so muß es dennoch entsprechend ausgebildet werden, dass es dieses Gangvermögen auch unter dem Reiter, beispielsweise in einer Dressur, darstellen kann. Für Züchter B ist es nur wichtig, dass der “Fresser” möglichst rasch den Stall verläßt, denn mit jedem Monat kostet das Pferd Geld – Geld, das über den Kaufpreis nicht reinzuholen ist.
Züchter A läßt seinem Nachwuchs eine solide Grundausbildung angedeihen, denn dies ist das beste Rüstzeug, das man seinem Pferd mit auf den Lebensweg geben kann. Dazu gehören das Fohlen-ABC – angebunden stehen bleiben, Hufe geben, verlade- und schmiedefromm sein. Ein Pferd mit guten Manieren hat es leichter im Leben, egal was mit ihm geschieht. Züchter B hingegen schwört auf artgerechte Haltung. Seine Jungpferde leben wie Wildpferde ganzjährig auf der Weide. Das kann gut gehen, muß es aber nicht.
Wer züchtet, muß auch verkaufen. Aber die Zeiten sind vorbei, als die Fohlen schon im Mutterleib verkauft wurden. Heute muß man sich mehr Mühe geben, muß viel Zeit investieren, gegebenenfalls auch Geld, muß kundenorientiert sein, und Durchhaltevermögen haben, bis man den richtigen Käufer findet. Aber das sind wir letztendlich unseren Pferden schuldig.
Gudrun Waiditschka