Unter dem Brennglas

Man sagt ja, dass die Corona-Pandemie wie ein Brennglas wirkt, sie zeigt die Schwachstellen eines Systems auf, veranlasst uns, alte Strukturen zu überdenken, und beschleunigt Innovationen. Vielleicht trifft dies auch auf die “Schauszene” zu. Hier wurden einerseits “typische” ECAHO-Schauen in großem Stil abgesagt, und andererseits hatten “alternative Schauen” trotz Corona Zulauf, weil die Leute hungrig nach Begegnung, nach Gedankenaustausch und nach Gemeinschaft sind.
Sicher, ein Teil der Veranstaltungen mußte wegen der jeweiligen Corona-Auflagen in den betreffenden Ländern abgesagt werden. Aber vielen Organisatoren war auch das finanzielle Risiko zu groß. Das ist verständlich, keine Frage, aber was genau treibt die Kosten – und damit das Risiko – denn in die Höhe? Es sind unsere Ansprüche und Erwartungen an diese Schauen, die sich in den oberen Kategorien zu einem reinen Treffpunkt für die Reichen und Schönen entwickelt haben, zu einem Entertainment-Event mit Light & Sound-Shows und mit ein paar Pferden als “Garnitur”. Wenn aber die Reichen und Schönen nicht mehr reisen wollen, können oder dürfen, dann entfällt der eigentliche “Zweck”. Dann werden Schauen nur noch für ein paar Top-Trainer veranstaltet, damit diese Zunft nicht ausstirbt. Und es waren genau diese Trainer, die Druck auf Veranstalter und ECAHO gemacht haben, damit die großen Schauen wie beispielsweise das Europa-Championat nicht ausfallen. Vielleicht ist es das, was uns das Corona-Brennglas zeigen will: Back to the basics, Schauen im Freien, Schauen für Züchter und Besitzer (und nicht für die Trainer) und weg von dem “Einheitsbrei” der reinen ECAHO-Schau hin zu einem vielseitigen Araberfestival. Das Corona-Brennglas zeigt auch, dass die einseitige Spezialisierung auf “Schautraining” für die Trainer eine Sackgasse ist, und Diversifizierung, also beispielsweise das zusätzliche Angebot von Reittraining, ein zweites Standbein und ein ganz anderes Klientel bedeuten würde, was ein Unternehmen krisenfester macht.
Und dann zeigt uns das Corona-Brennglas auch, wo es dank der richtigen Innovationen dieses Jahr besser lief, als die anderen Jahre – und das war das Araberfestival in Stadl Paura. Zwar gibt es dieses Araberfestival schon seit etlichen Jahren, aber so groß und bunt und abwechslungsreich wie dieses Jahr kannte ich es nicht. Die Innovationen, die diese Veranstaltung von anderen unterscheidet, sind keine Erfindung von diesem Jahr, sie wurden kontinuierlich über die letzten Jahre hinweg aufgebaut und ausgebaut. Und jetzt, im Corona-Jahr, zahlen sie sich aus: Das Araberfestival hatte so viele Pferde und Starts wie nie zuvor!
Das Arabische Pferd unter dem Sattel wird zunehmend “salonfähig”. Wo früher ein gerittener Araber nur ein Lückenfüller war, werden heute Reitklassen angeboten. Wer heute als Schauorganisator nur auf die “typische ECAHO-Schau” setzt, der schaut dem abfahrenden Zug hinterher.
Gudrun Waiditschka