Wettkampf unter Freunden

Europa-Championat für Sport-Araber 2020

Viele Wochen des Hoffens und Bangens führten schlußendlich doch zum “Happy-End”: Das Europa-Championat der Sport-Araber konnte dank der Beharrlichkeit der Organisatorin Sissi Chat trotz Corona stattfinden!

Im Corona-Jahr 2020 war für so manchen Reiter das Europa-Championat das erste Turnier des Jahres, denn Ende Juli waren in vielen Ländern öffentliche Sportveranstaltungen noch nicht möglich. Umso schöner war es, dass trotz der widrigen äußeren Umstände sich so viele Reiter in Wiener Neustadt eingefunden und diese vier Tage wie ihren Urlaub genossen haben.
Wen immer man fragte, jeder war dankbar für diese Abwechslung in diesen Corona-Tagen, dankbar für die Möglichkeit, alte Freunde zu treffen, neue Freundschaften zu schließen und gemeinsam mit seinem Partner Pferd etwas zu unternehmen. Dabei stand immer der Sportsgeist im Vordergrund. Wer beispielsweise die Ausrüstung für die erstmals als Europameisterschaftstitel ausgeschriebene Hunter Pleasure nicht passend dabei hatte, der fand einen Reiterkollegen, der ihm die Ausrüstung ausleihen konnte. Dieses Miteinander trotz sportlichem Ehrgeiz ist es, was diese Veranstaltung auszeichnet.
Es waren 48 Pferde und Reiter aus fünf Nationen angereist: aus Dänemark, den Niederlanden, Polen, Deutschland und natürlich Österreich. Nicht alle Starter nahmen am eigentlichen Europa-Championat teil, einige der Reiter brachten auch junge Nachwuchspferde für das Newcomer und Master Championship mit. Beim Europa-Championat ging es dann bei insgesamt elf Disziplinen und zwei Allround-Wertungen um 39 Medaillen, neu hinzugekommen waren Hunter Pleasure und Ranch Riding, außerdem hatte man – wie bereits im letzten Jahr – die Kostümklassen in Western und Classic unterteilt.
Deutschland war mit neun Pferden vertreten, von denen sechs am eigentlichen Europa-Championat teilnahmen und vier Gold-, drei Silber- und zwei Bronzemedaillen gewannen. Erfolgreichstes Pferd war (wieder einmal) Haifi El Sorrento unter Susanne Hoyler, der zwei Gold-, eine Silber- und zwei Bronzemedaillen für sich entscheiden konnte. Ähnlich erfolgreich war nur noch die Österreicherin Susanne Schuh mit Loggia (2 x Gold, 2 x Bronze).
Das Gastgeberland Österreich hatte naturgemäß die meisten Eisen im Feuer, oder besser Pferde am Start. Und so haben die Österreicher auch am meisten Medaillen mit nach Hause genommen: 8 x Gold, 8 x Silber und 9 x Bronze. Nun darf man aber nicht übersehen, dass die verschiedenen Pleasure-Prüfungen (Classic Pleasure, Hunter Pleasure, Native Costum (western und classic), Ladies Side-
saddle, Western Pleasure) in Österreich dank der Aktivitäten von Sissi Chat besser bekannt sind als in Deutschland. Und allein in diesen sechs Klassen wurden 18 Medaillen verteilt!

Die “Klassiker”
Die Dressurprüfung hatte dieses Jahr besonders unter der geringeren Starterzahl zu leiden, und die Qualität der Ritte im Ganzen betrachtet war unter dem Niveau der Vorjahre. Dies hatte verschiedene Ursachen. Für den Sieger Haifi El Sorrento (BS Specific / Haifi Dinjah) *2005 unter Susanne Hoyler war es der Umstand, dass seit 1. Januar 2020 keine Gerte mehr in der Prüfung erlaubt ist, was die Reiterin aber erst kurz vor dem Start realisierte, ein Grund, weshalb der Wallach nicht mit dem gewohnten Eifer die Galoppwechsel ausführte – ja, man hatte stellenweise den Eindruck “jetzt bleibt er gleich stehen”. Alles in allem aber war es eine gewohnt souveräne Vorstellung und das Paar gewann die Prüfung zu Recht und mit weitem Vorsprung. Es hätte ihnen eigentlich nur Galahad unter Helena Jody Byrne gefährlich werden können, aber Helena und ihre Mutter waren die Pechvögel der Veranstaltung: Erst hatten Einbrecher ihr gesamtes Geld aus dem Auto gestohlen, und dann verletzte sich Galahad am Samstag und konnte sonntags an den Europa-Championats-Prüfungen nicht starten. Damit blieb GFH Sandhya (Baikal / Desert Safanad) *2012 unter André Reitermayr als zweitbeste Starterin im Rennen, ein Pferd, das wir bislang aus dem Westernsport kannten! André Reitermayr wollte beweisen, dass man ein Pferd in zwei unterschiedlichen Reitweisen ausbilden bzw. vorstellen kann (davon mehr s. “Das Experiment” Seite 64). Ein Experiment zwar, aber man muß sich doch fragen, ob das Europa-Championat und eine S-Dressur-Prüfung der richtige Moment dafür ist.
Auf dem dritten Platz stand der aus Polen angereiste Akwadar (Drabant / Akwaforta) *2011 unter Danuta Kononchuk, ein beeindruckender Hengst, dem es aber noch an Gelassenheit fehlt.
Insgesamt erfreulicher war die Springprüfung. Wenngleich hier nur vier Starter zu verzeichnen waren, so war es doch die spannendste Prüfung der ganzen Veranstaltung. Das lag in erster Linie an Neele Schlichte, der jüngsten Teilnehmerin des Turniers, und ihrem Al Ashar (Ashur / Aswana V) *2005, unserem “Araber des Jahres 2019”. Dieses Paar hatte bereits in den Vor- und Qualifikationsprüfungen (Newcomer- und Master-Championships) jeweils den Sieg geholt, daher waren sie die letzten Starter und rolltem das Feld von hinten auf. Mit Umsicht, aber doch mit Tempo steuerte Neele den Hengst durch den Parcours und die beiden holten sich erneut Gold mit einem souveränen Null-Fehler-Ritt! Und das ganz ohne verbissenen Ehrgeiz, denn Neele strahlte und lachte über jedem Hindernis, hier hatten zwei richtig Spaß – und genau das soll dieses Turnier neben all dem Leistungen, die hier abgeliefert werden, vermitteln. Die drei anderen Starter stammten alle aus der Zucht von Martina Minhard, Al-Qahira Arabians – auch das nicht alltäglich. Silber holten sich Kalderon Qahira (Ghandour / Sevilla) *2005 mit Antje Aigner, ein Paar, das auch erfolgreich im Vielseitigkeitssport unterwegs ist – und das, obwohl Kalderon das linke Auge durch einen Unfall verloren hat! Auf dem dritten Platz landete Espinosa Qahira (L.M. Libretto / Shamal) *2000 unter ihrer Besitzerin Alexandra Moosburger und erhielt damit Bronze. Diese Stute ist ein Phänomen und repräsentiert den vielseitigen und langlebigen Araber par excellence. Sie ist jetzt 20 Jahre alt, nimmt mit ihrer Besitzerin noch regelmäßig an Geländeprüfungen teil und hat in Stadl Paura bereits 2007 den Europa-Champion-Allround-Titel im Einspännerfahren geholt, eine Prüfung, die es die letzten Jahre leider aufgrund zu geringer Nennungszahlen nicht mehr gab.

Let’s go West
Bei den Westernprüfungen wird natürlich immer die Reining mit größter Spannung erwartet. Dieses Jahr gelang es Gerhard Hairas mit TR Whata Hottie (What It Takes / Paf Tohottohandle) *2011 vom Gut Fronleitenhof, die Reining für sich zu entscheiden. Seit Jahren ist er regelmäßig mit dabei, früher mit seinem eigenen Pferd, heute mit einem “Leihpferd”, aber meist in der Plazierung. Er entschied die Reining mit 211,50 (141) Punkten für sich, knapp vor dem amtierenden Europa-Champion CH Silverlight (Azjaa / Silver Riole) *2004 mit Verena Böckle im Sattel. Dritter wurde mit Abstand GFH Sonar Seganges (Ganges / Sonora) *2009, unser “Araber des Jahres 2018” unter Reinhard Hochreiter. “Pechvogel” dieser Prüfung war Martin Pauli mit Zahims Navii (Zid Ibn El Zahim / India) *2010, der einen fulminanten Ritt hinlegte, aber bei einem Stolperer seines Pferdes in die Zügel griff: “Null Score”, aus der Traum – aber nächstes Jahr ist wieder eine Chance!
Auch die Trailprüfung gilt als anspruchsvoll und verlangt viel Körpergefühl vom Pferd. Hier siegte David Grandits mit Rosaleda Qahira (Valeroso Qahira / Shirna Carisma) *2010, die Vierte im Bunde an dieser Veranstaltung aus dem Gestüt Al-Qahira! Wie man sieht, kann ein gutes vielseitiges Sportpferd in allen möglichen Disziplinen weiter gefördert werden. Hier nun also zeigte die große, kräftige Fuchsstute, wie man seine Beine in einem “Stangengewirr” sortiert, und siegte mit 209,5 Punkten knapp vor dem bereits 21-jährigen Vadim (Hag-Viendo / Massada) *1999 unter Brigitte Hirschböck, der mit 209 Punkten die Silbermedaille holte. Die Bronzemedaille ging an Loggia (Alert / Laranda) *2011 unter Susanne Schuh, die wie eingangs erwähnt das zweiterfolgreichste Paar der Veranstaltung waren.
Was letztes Jahr als “Versuchsballon” angeboten wurde, wurde bereits dieses Jahr als Teil des Europa-Championats ausgeschrieben: Ranch Riding. Nicht nur bei den Arabern findet diese Disziplin mehr und mehr Anhänger. In dieser Prüfung werden je nach Schwierigkeitsgrad verschiedene Pattern geritten, wobei es auf Reaktionsfähigkeit und Manieren während der Durchführung ankommt und auf die Qualität der Bewegungen geachtet wird. Reiten am zu langen Zügel oder eine zu tiefe Kopfhaltung des Pferdes wird mit Punktabzug bestraft. Hier konnte CH Silverlight mit Verena Böckle nun doch die Goldmedaille holen, nachdem diese ihnen in der Reining knapp entgangen ist. Silber holte sich “Pechvogel” Martin Pauli mit Zahims Navii, die Bronzemedaille ging Leona Böck auf Baikals Shangrila (Baikal / Desert Safanad) *2006, die eigentlich auf Mutterschaftsurlaub ist, aber da sie bislang nicht aufgenommen hatte, mußte sie mit aufs Turnier.

Pleasure – Das reine Vergnügen
Die Pleasure-Prüfungen nehmen von Jahr zu Jahr zu, eignen sie sich doch zum Punktesammeln für den Allround-Titel. Außerdem sind sie einfach zu organisieren und haben in der Regel die größten Teilnehmerfelder. In der Classic Pleasure gab es dieses Jahr eine Überraschung. Das Paar Valerie (Dormane / OSO Valentina) *2005 unter Isabel Bartlechner ist schon seit einigen Jahre dabei, jedoch galt die großrahmige und ganggewaltige Stute nicht gerade als “einfach”. Mit viel Beharrlichkeit haben sich Reiterin und Pferd “zusammengerauft” und dieses Jahr haben die Bemühungen nun endlich Früchte getragen: Die Goldmedaille in der Classic Pleasure ist die Krönung ihrer bisherigen Karriere. Sie verwiesen den Dressur-Champion Haifi El Sorrento auf Platz zwei und damit Silber.
Auf Anhieb eine Goldmedaille zu holen gelang Erasmos (Ainhoa St. Faust / Estylia) *2011 unter Daniela Entner in der Hunter Pleasure. Sonst eher in der Dressur unterwegs, war Daniela Entner der Prix St. Georges noch zu “hoch”. Dass man dennoch auf diesem Europa-Championat Spaß haben, Leistung zeigen und gewinnen kann, zeigt dieses Paar. Der einäugige Kalderon Qahira unter Antje Aigner holte sich sowohl in der Hunter Pleasure als auch in der Kostümklasse die Silbermedaille, bei letzterer wurde er hinter seinem Stallgenossen Ojinegro Qahira (Ghandour / Bel Princess) *2005 mit Magdalena Zellhofer plaziert.
Den Ladies vorbehalten ist die Ladies-Side-saddle-Klasse, die wie im letzten Jahr von El Trocadero (Psyrasic / Kashida) *2008 unter Karin Lenhard gewonnen wurde. Erstmals dabei waren dieses Jahr zwei Starterinnen aus Polen, die die Silber- und Bronzemedaille gewannen.
Im Westernsport bereits lange etabliert ist die Western Pleasure, die dieses Jahr die Holländerin Canisia Romani auf Ashraf Al Shams (Ajman Monisicione / Esstonia) *2010 für sich entscheiden konnte. Ihr folgte MM Sandrine (QR Marc / Sayonarah El Bri) *2010 aus dem Stall von Mario Matt mit André Reitermayr im Sattel, Bronze holte sich Loggia mit Susanne Schuh.

Zu guter Letzt
Die Prüfungen am Freitag und Samstag dienen einerseits als Qualifikationsritt für die Einzel-Titel, andererseits als Punktebasis für die Allround-Wertung. Sieger im Classic Allround wurde Haifi El Sorrento, der neben der Dressur auch in den (klassischen) Pleasureprüfungen Punkte sammelte. Die Silber- und Bronzemedaille holten sich die zwei Spring-
pferde aus dem Stall Al-Qahira, die aber auch beide in den Pleasureklassen erfolgreich waren. Den Western-Allround konnte sich Loggia holen, womit sie zum zweiterfolgreichsten Pferd des Turniers wurde, Silber ging in die Niederlande an Ashraf Al Shams und Bronze an El Trocadero aus Österreich.
Mit der Teilnahme an diesem Europa-Championat auch in problematischen Zeiten haben die Reiter bewiesen, dass ihnen an derlei Veranstaltungen liegt. Man will sich unter seinesgleichen messen, sich austauschen und Spaß haben. Der Dank aller gilt Sissi Chat, dass sie dies möglich gemacht hat.
Gudrun Waiditschka