In Memoriam – Ursula Rahm

Ursula Rahm 1927 – 2021

Nach einem langen und ereignisreichen Leben ist Ursula Rahm am 21. Juli im Alter von 94 Jahre zuhause verstorben. Durch ihr Wirken für das Arabische Pferd hat sie viele Menschen und deren Lebensweg beeinflußt. Auch mein Lebensweg wäre ohne Ursula Rahm anders verlaufen.

Doch wo anfangen, wo aufhören, bei einem so bewegten Leben, wie es Ursula Rahm geführt hat? Geboren am 27. März 1927 in Männedorf, besuchte sie in Zürich die Schule und absolvierte anschließend eine Lehre als Laborantin im Tierspital Zürich. Tiere hatten es ihr schon immer angetan, aber Pferde ganz besonders. Reitstunden aber konnte sie sich leider nicht leisten, bis sie ihr eigenes Geld verdiente.

1950 heiratete sie Urs Rahm, der am Tropeninstitut beschäftigt war, und ein Jahr später zogen sie berufsbedingt an die Elfenbeinküste. Dort kam Tochter Salome zur Welt und einige Jahre später ging es wieder kurz zurück in die Schweiz, wo Sohn Lukas geboren wurde. 1958 zog die ganze Familie wieder nach Afrika, diesmal in den Belgischen Kongo (Kivu, im Osten Kongos) wo Urs in einer Forschungsstation arbeitete. Ursula half bei Tierfilmen und hatte über kurz oder lang eine ganze Menagerie zu Hause. 1960 mußte die Familie wegen des Unabhängigkeitskrieges fliehen. Doch Afrika ließ sie nicht los – rund ein Jahr später waren sie wieder zurück. Während Urs in der Forschungsstation arbeitete, leitete Ursula eine Farm mit Milchkühen und verschiedenen Wildtieren (Berggorillas, Schimpansen, Büffel, Antilopen, usw.). Die Abenteuer, von denen sie aus dieser Zeit erzählte, könnten ganze Bücher füllen. Im Mai 1969 kam Tochter Claudia zur Welt, im Dezember desselben Jahres fand die Zeit in Afrika ihr Ende und Familie Rahm kehrte zurück in die Schweiz. In Himmelried bauten sie sich ein Zuhause, natürlich mit Pferdeboxen, die auch bald darauf bezogen wurden.

In Bezug auf die Shagya-Araber, war 1973 das „Schicksalsjahr“ – Ursula Rahm reiste nach Dänemark auf das Gestüt Bartahus von Ulla Nyegaard und kaufte dort die zweijährige Stute O’Bajan I-17 (O’Bajan I / O’Bajan X-1). Sie wurde zuhause nur Masikia genannt, da sie immer die Ohren hängen liess – und Masikio heisst „Ohren“ auf Suaheli. Masikia war züchterisch ein Glückstreffer. Nicht nur, daß sie eine „Bilderbuchstute“ war, die zahlreiche Championate errang, sie brachte auch hervorragende Nachzucht – insgesamt 16 Fohlen! Unter ihnen auch Batan, der später zum Hauptbeschäler im ungarischen Staatsgestüt Bábolna anvancierte, sowie die Stuten Amoraja, Bajgala, und Paraja, die das Erbe von Masikia in der Rahm’schen Zucht weiterführten. In die Anfangszeit ihrer Shagya-Araberzucht fällt auch die Gründung der Schweizer Zuchtgenossenschaft für Arabische Pferde (SZAP), die damals sowohl für Vollblutaraber- als auch für Shagya-Araber zuständig war und wo sich Ursula Rahm von Anfang an engagierte und über lange Jahre das Sekretariat führte. Im Frühjahr 1976 fuhr sie dann nach England und kaufte die Vollblutaraberstute Aphaia, die im Mai 1976 nebst ihrem Stutfohlen in die Schweiz „zügelte“. Auch sie fand als Zuchtstute Einsatz, allerdings nicht mit dem gleichen Erfolg wie ihre Stallgenossin.

1983 wurde die ECAHO in der Schweiz gegründet – zum Schutz der Pferde und um „Fair Play“ auf den Schauen zu garantieren. Insbesondere der Schutz der Pferde war Ursula wichtig, und bald war sie in ganz Europa berühmt-berüchtigt als Mitglied des Disziplinarkomitees, das für Ordnung an den Schauen sorgte. Ursula Rahm war bei der Gründung der ECAHO dabei und hielt dieser Organisation noch lange die Treue, erst als Kassier und DC, später als Ausbilderin für DCs und Mitglied der Berufungsinstanz.

Ich lernte Ursula in den 1980er Jahren an den berühmten Frauenfelder Schauen kennen. Etwa 10 Jahre später war sie es, die mich als General Secretary der ECAHO vorschlug, eine Position, die ich rund 16 Jahre inne hatte. Gerne denke ich an die vielen Sitzungen bei ihr zuhause „im Muspenacker“ zurück, die langen Abende mit Major Pat Maxwell, Ursula Roberts und vielen anderen. Ihr Haus war immer offen und die Welt bei ihr zu Gast. Viele Ideen wurden hier geboren, viele Diskussionen geführt, dabei war Ursulas Anliegen immer das Wohl der Pferde. Sie war kompromisslos und direkt, was ihr nicht nur Freunde beschert hat – aber Respekt hat ihr jeder gezollt.

2017 erhielt sie für ihre Verdienste die Ehrenmitgliedschaft der ECAHO, 2018 wurde sie als „Person of the Year“ anläßlich des All Nations Cups in Aachen geehrt. Sie lies sich die Gelegenheit nicht entgehen, ein paar Worte an das Publikum und die Offiziellen zu richten: “Ich bin sehr geehrt, diese Auszeichnung zu erhalten. Das Wohlergehen der Pferde war immer mein oberstes Ziel. Doch bin ich traurig, dass in den letzten Jahren die Pferde immer weiter in den Hintergrund, die ‚Show’ als solche in den Vordergrund rückte. Die Pferde sind es, die unsere Aufmerksamkeit verdienen, nicht die Show. Ich bitte sie, lieben sie ihre Pferde und achten sie darauf, dass es ihnen auch an Schauen gut geht.”

Mit Ursula Rahm geht ein „Urgestein“ der Araberszene. Sie hat rund die Hälfte ihres Lebens und viele Jahre harter Arbeit dem arabischen Pferd gewidmet – und das ehrenamtlich! Bei meinem letzten Besuch sagte noch, wie schön es war, mal wieder mit jemandem über die guten alten Zeiten zu reden, denn der Weg, den die Schauszene zwischenzeitlich genommen hat, war ihr zuwider. Zum Abschied sagte sie noch, dass dies wahrscheinlich das letzte Mal sei, dass wir uns treffen würden, da sie nicht erwarte, noch lange hier zu sein. Sie hat leider recht behalten.
Gudrun Waiditschka