Ende letzten Jahres feierte die Stute Nil Tahar ihren 30. Geburtstag. Die gebürtige “Schweizerin” lebt seit 1995 im Süden Frankreichs bei Arlette Studer und ist die “Königin vom Gestüt Haras des Trois Chênes”.
Geboren im Dezember 1984 auf dem Gestüt der Familie Aeschbacher in der Schweiz war die Bestimmung von Nil Tahar als Zuchtstute auf Nile Arabians vorgezeichnet, denn schließlich liest sich ihr Pedigree wie das „Who is Who“ der Araberzucht der 1980er und 90er Jahre: Ihr Vater war kein geringerer als Ansata Halim Shah, Reserve-Junior-Weltchampion 1983, der als Pachthengst bei Dr. Nagel stand und auch als Hauptbeschäler in den Staatsgestüten Bábolna und Marbach wirkte. Ihre Mutter war Tiffaha, der Inbegriff einer arabischen Stute und unvergessene Welt- und Europa-Championesse von 1995. Auch Nil Tahar wurde erfolgreich auf Schauen gezeigt und errang – neben einigen nationalen Titeln – den Junior-Champion-Titel an der internationalen Schau Frauenfeld 1987, und erreichte einen zweiten Platz in Paris im selben Jahr. Kein Wunder gab es für Nil Tahar Kaufangebote, auch aus den arabischen Ländern. Als Zuchtstute brachte sie für Aeschbachers zwei Hengste, Nil Tarik (v. Gips) und und Nil Arus (v. Present).
Als Arlette Studer 1995 wieder einmal zu Gast bei Aeschbachers auf deren Gestüt Nile Arabians in Brenles war um sich die Pferde anzusehen, zeigte man ihr bereitwillig den gesamten Bestand – nur eine fehlte: Nil Tahar. „Sie stand im Stall, und ich hatte den Eindrucck, dass sie etwas traurig dreinblickte“, meint Arlette Studer, „vielleicht fühlte sie sich auch einfach wegen des großen Sarkoid-Geschwürs, das sie vorne an der Brust hatte, etwas unwohl.“ Außerdem war sie schon mehrer Jahre nicht mehr tragend geworden und so entschlossen sich die Aeschbachers, ihr die Stute zur „Dauerpacht“ anzubieten. Kurz darauf fand der Umzug nach Frankreich statt, wo sie fortan zusammen mit dem gestütseigenen Hengst Sindibad auf der Weide lebte. Aber trotz dessen Bemühungen wurde Nil Tahar nicht tragend – lag es doch an dem Geschwür, das ihr so viel Kraft und Lebensenergie raubte?
Über Freunde hörte Arlette Studer von einem Tierarzt in Spanien, der derartige Geschwüre schon mehrfach erfolgreich behandelt hatte. Gesagt, getan, der Tierarzt kam und seine Behandlung schlug an: das Geschwür brach auf, die Wunde reinigte sich von innen und heute zeugt nur noch eine große Narbe davon. Die weitläufigen Weiden und das milde Klima von Südfrankreich halfen sicher bei der Genesung, denn Nil Tahar blühte immer mehr auf – und wurde sogar wieder tragend! Sie brachte in Frankreich noch drei Fohlen, von denen die Stute AS Tarifa und der Hengst Thanoon (beide von Icham) noch im Gestüt stehen. Seit 2000 ist sie nicht mehr tragend geworden. „Sie ist eine ausgesprochene Hengstmutter“, meint Arlette Studer, „denn sie hatte ja auch nur ein Stutfohlen, AS Tarifa. Ihr Sohn Thanoon ist ihr sehr ähnlich, nur in ‚männlicher Ausführung’ – er dagegen bringt überwiegend Stutfohlen.“ Auf weitläufigen Weiden genießt Nil Tahar täglichen Weidegang und kann selbst entscheiden, wann sie in den Stall kommen will – wenn jedoch das Futter ruft, ist sie immer die erste, die kommt. „Nil Tahar ist auch eine gute ‚Großmutter’ für unsere Jungpferde. Derzeit geht sie mit den Jährlingen und Zweijährigen auf die Weide und hilft bei deren Erziehung. Für mich ist es wichtig, dass die Pferde psychisch im Gleichgewicht sind – das fördert auch die Gesundheit.“
„Tahar ist eine wunderbare Stute und nun schon über 20 Jahre bei uns. Ihre grosse Leistung ist es, ihre Krankheit besiegt zu haben, noch vital und voller Energie zu sein und ein so hohes Alter erreicht zu haben. Es geht ihr heute blendend und wir hoffen das sie noch viele Frühlinge bei uns erleben darf.“
Gudrun Waiditschka