“Ein komplettes Pferd ist das Zuchtziel”

Seit 25 Jahren züchten Bernd und Gabriele Zimmermann vom Gestüt Amurath arabische Pferde auf Weil-Marbacher Grundlage. Züchter wie Bernd Zimmermann, der auch als Musterungsbeauftragter, nationaler Richter und langjähriges Vorstandsmitglied des VZAPs aktiv ist, bilden das Rückgrad der deutschen Vollblutaraberzucht. Wir sprachen mit ihm über den Markt, die Schauszene und die Zukunft der Zucht.

Arabische Pferde: Herr Zimmermann, ihr Gestütsname Amurath bezieht sich auf den Hengst Amurath I 1829 aus dem Königlichen Privatgestüt Weil. Wofür steht dieser Hengst für Sie und was gefällt Ihnen an ihm so besonders, dass Sie ihr Gestüt nach ihm benannt haben?
Bernd Zimmermann: Wenn man das Gemälde betrachtet, so sieht man ein komplettes Pferd, ein Pferd mit bestem Typ, arabischem Schmelz, der nötigen Feinheit und Aufrichtung. Da ist nichts “extremes” daran, vielmehr ist er für mich sehr nahe am Ideal.
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AP: Und wieviel “Amurath” ist noch drin in Ihrer Zucht?
B.Z.: Wir befinden uns tatsächlich an einem Scheideweg mit unserer Zucht. Im Stutenstamm ist Amurath noch drin, aber auf der Hengstseite tun wir uns schwer, etwas Passendes aus der Weil-Marbacher Richtung zu finden. Und Hengste wie Dschehim und Said sind zu eng mit unseren Stuten verwandt. In jüngster Zeit haben wir mit El Nabila B und Pallaton K gedeckt, um mehr Aufrichtung, Auge und Körper zu bekommen.
AP: Welches waren Ihre Stammstuten, und wann haben Sie mit ihnen angefangen? Wieviele Generationen “Amurath” gibt es mittlerweile?
B.Z.: Unsere Zucht ist ursprünglich auf drei Stammstuten aufgebaut. Mit Mahara (Gharib / Magda) *1980 haben wir 1992 mit der Zucht angefangen. Ihre Großmutter Molawa haben wir mit Monrad und Dahab auch auf der Vaterseite gefestigt und daraus unsere M-Linie erhalten, mit der wir in der 4. Generation züchten – das sind rund 25 Jahre “Amurath”. Die anderen beiden Stammstuten waren Dagi (Hadban Enzahi / Hamdi) *1976, die wir im Alter von 22 Jahren übernommen hatten. Sie brachte uns noch ein Fohlen, Amurath Damirah (v. Penthagonn). Die dritte war Samia II (Saher / Senitza) *1982, eine Vertreterin der S-Linie in Marbach. Später konnten wir auch noch die Stutenherde der Zucht von Ingeborg Wagner, Gestüt Waldhof, übernehmen. Hiervon ist aktuell leider nur eine Stute bzw. deren Nachzucht übrig geblieben.
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AP: Wenn Sie nun Ihre Stammstuten betrachten und Ihre heutigen Zuchtprodukte nach 3-4 Generationen – was wurde verändert, und durch welche Hengste?
B.Z.: Bei allen Marbachern gab es meines Erachtens den Körper zu verbessern. In der Regel war der Halsansatz zu tief, die kurze Kruppe , das spitze Kreuzbein, ein Erbe von Hadban Enzahi – dies galt es zu verbessern.
Wir haben seit vielen Jahren keinen eigenen Hengst mehr, was für uns den großen Vorteil hatte, völlig frei in der Wahl eines Hengstes für die jeweiligen Stuten zu sein. In den Anfangsjahren, so von 1990-2005 standen noch einige Hengste mit viel Weil-Marbacher Blut zur Verfügung, beispielsweise Monrad (Hadban Enzahi / Molawa) *1974 und Dahab (Monrad / Dawa) *1984. Mit Monrad haben wir Inzucht gemacht, mit Dahab Linienzucht, wobei Dahab die besseren Körper brachte, vermutlich ein Erbe von Karmin. Penthagonn vererbte uns Halsung und die großen „Amurath“ Augen.
Madkours Impuls (Madkour I / Imperia) *1997, den wir dann anschließend verwendet haben, brachte uns Größe, Langbeinigkeit und Halsung, nicht immer in der ersten Generation, aber später.
Sehr gut haben sich die Hengste El Sid, Fadi Al Shaqab und Muranas Jassehr mit den Nachkommen aus dem „alten“ Stutenstamm vererbt.

AP: Macht Erhaltungszucht Sinn? Wenn wir zum Beispiel bei den Weil-Marbachern bleiben?
B.Z.: Das ist eine spannende Frage, die ich mir auch schon oft selbst gestellt habe. Für mich persönlich habe ich sie unter den aktuellen Bedingungen mit “nein” beantwortet. Akademisch betrachtet aber macht es Sinn und ist zu befürworten. Wenn allerdings die Pferde zu schlecht sind für die Marktansprüche, bringt es auch nichts. Erhaltungszucht um seiner selbst willen, beispielsweise nur auf Optik oder nur auf Pedigree, macht für mich keinen Sinn. Es kommt also auf das Ziel der Erhaltungszucht an. Bei den Bahrainis beispielsweise kommt alles zusammen, Optik, Pedigree und Leistungsanspruch – dann ist das in Ordnung.
Damit es funktioniert, muß der Genpool eine gewisse Größe haben. Dazu muß man aber global arbeiten, und man muß die privaten Züchter mit einbeziehen, die Interessenlagen klären, ein Zuchtziel definieren und ein Erhaltungszuchtbuch einführen – dann kann es funktionieren. Vom Herzen wäre ich sofort dabei, aber der Plan scheint nicht umsetzbar.
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AP: Was sind Ihre Selektionskriterien, worauf legen Sie in der Zucht besonderen Wert?
B.Z.: Neben dem Exterieur sind das vor allem Umgänglichkeit. Die Pferde müssen ganz allgemein gut “funktionieren”, sie müssen rittig sein, und eine gute Einstellung zur Arbeit haben. Das merkt man gleich beim anreiten, sie dürfen nicht widersetzlich sein, sondern sollten Freude an der Arbeit haben. Das ist mir wichtiger, als Leistungstypen. Wenn die Fremdreiter an der Stutenleistungsprüfung zu mir sagen, sie hätten ein super Gefühlt auf dem Pferd, dann sind sie auch leicht zu reiten. Klar im Kopf und ein guter Körper – beides muß stimmen, um ein rittiges Pferd zu erhalten, und das ist es, was der Freizeitreitermarkt braucht und verlangt. Das Feedback von unseren Kunden spiegelt dies wider.
Das Ablegen der Stutenleistungsprüfung für unsere Zuchtstuten ist eine selbst auferlegte Selektionsmaßnahme. Hier wird mit objektiven Kriterien die allgemeine Eignung als Reitpferd getestet. Grundgangarten, Rittigkeit (auch unter dem Fremdreiter), Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen. Ganz wichtig ist mir persönlich das Freispringen. Hier ist der Mut, die Übersicht, Nervenstärke, Intelligenz und Athletik eines Pferdes zu beobachten. Enorm wichtige Kriterien für ein Reit- und Zuchtpferd.
Diese Eigenschaften möchte ich auf Dauer in meinen Stutenstämmen erhalten.
Leider kann man derzeit auf wenig hochwertige Hengste mit Leistungsprüfung zurückgreifen. Ich bedaure das, kann es aber nicht ändern. Deshalb habe ich mich für diesen Selektionsweg mit den eigenen Stuten entschieden.

AP:
Sollte man “züchten was der Markt verlangt” und wo hat der Araber seinen Markt? Viele sehen ja noch immer in der Schau den Absatzmarkt schlechthin.
B.Z.: Wir züchten für Schau, Freizeitreiter, auch für den ambitionierten Freizeitreitermarkt, wir züchten auch Sportpferde, Partbreds, Veredler – letzteres ist nicht uninteressant, wenngleich nur ein kleiner Markt. Leider gehen die Eigenschaften, die der Araber als Veredler mitbringen muß, immer mehr verloren. Hierzu eignen sich nur wirklich gute Pferde, wenn man bei den Warmblutzüchtern ernst genommen werden will. Man muß ein komplettes Pferd züchten, das insbesondere auch zum guten Reitpferd taugt.
Die Linienzucht, und damit die ausgeprägten Typen, gehen durch die Vermischung von allem mit allem verloren. Es gilt die Stutenlinien zu erhalten, die Vielfalt kann man dann über die Hengste einbringen. Reine Linienzucht ist bei den Weil-Marbachern in der heutigen Zeit schwierig, weil die Hengste fehlen. Man muß seine eigenen Ideale in anderen Linien suchen, das kann polnisch, ägyptisch oder russisch, bzw. eine Mischung davon sein.

AP: Welches Ihrer Pferde würden Sie als Ihr bestes Zuchtprodukt betrachten – und warum?
B.Z.: Mein bisher gelungenstes Zuchtprodukt ist Amurath Mofeedah (El Sid / Amurath Morgana) *2007, von der wir zwei Töchter in der Herde haben, Amurath Mona Lisa (v. Muranas Jassehr) und Amurath Moneera (v. Fadi Al Shaqab). Das sind komplette, solide Pferde, die erfolgreich im Schauring sind, sich aber auch gut anreiten lassen. Mofeedah trifft meinen Geschmack am besten. Sie geht auf Magda und damit Molawa zurück und auch ihr Großvater Monrad geht ebenfalls auf Molawa zurück. Diese Linienzucht brachte das Wesen von Magda wieder hervor, durch El Sid hat sie aber mehr Rahmen und Feinheit im Gesicht bekommen. Ihre Nachkommen sind meine Favoriten.

AP: Welchen Ratschlag würden Sie einem jungen Züchterkollegen geben?
B.Z.: Mein Rat an Neuzüchter: Lassen Sie sich Zeit! Fangen Sie klein an und übernehmen Sie sich nicht. Das Wichtigste für eine Zucht ist eine gute Zuchtstute – daher nehmen Sie sich bei der Suche nach einer Gründerstute viel Zeit. Seien Sie wählerisch und lassen Sie sich von einem erfahrenen Züchter beraten, der Ihnen eine wirtschaftlich unabhängig Beratung gibt. Machen Sie keine Kompromisse bei der Qualität, und brechen Sie keine Entscheidung übers Knie. Die Wahl des Hengstes hängt dann davon ab, was die Stute braucht, was es zu verbessern gilt, und nicht, was gerade modern ist.
Ansonsten rate ich jedem, sich laufend weiterzubilden, sowohl praktisch, wie auch theoretisch – und zwar als Pferdemann/-frau ganz allgemein, nicht rassespezifisch. Wichtig ist es auch, sich viele Pferde anzusehen, wenn möglich zu reisen und Kontakte zu knüpfen.
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AP: Welche Bedeutung hat die Schauszene für die Zucht des arabischen Pferdes?
B.Z.: Ich würde sagen, sie ist Fluch und Segen zugleich. Die Schauszene hat ihre eigene Faszination und sie bringt Menschen zusammen. Und auch wenn es nur ein kleiner Markt ist, so hat er eine große Wirkung – finanziell, aber auch nach außen. Das kann man als positiv erachten. Aber die Schauszene hat auch Moden kreiert, die viele Züchter beeinflußt, nicht nur im Guten. Als positiven Einfluß in der Zucht kann man beispielsweise das Wirken von Gazal Al Shaqab in Polen und der ganzen Welt betrachten. Er wurde nicht zuletzt mit Hilfe des Geldes der Schauszene gezüchtet. Man darf nicht vergessen, es gibt auch solide Schaupferdezüchter, die die gesamte Zucht positiv beeinflußen. Und die Schauszene erregt Aufmerksamkeit und bringt neue Leute zum arabischen Pferd.
Aber da ist auch der Fluch nicht weit, denn die “traditionellen Pferdeleute” fühlen sich davon abgestoßen, durch die Art der Präsentation, der Aufzucht, etc., dadurch wird ein gewisses Klientel davon abgehalten, mit dem Araber in engere Beziehung zu kommen. Das Beste am arabischen Pferd, das faszinierende Wesen, die Liebe zum Menschen wird durch die Schauszene nicht wirklich herausgestellt. Es ist eine einseitige Darstellung des arabischen Pferdes. Hier liegt eindeutig der Nachteil der Schauszene.

AP: Wo sehen Sie die Zucht in 10 oder 20 Jahren?
B.Z.: Da muß man unterscheiden, zwischen Deutschland und der internationalen Szene. In Deutschland sehe ich eine Aufspaltung in 3 Kategorien. 1. Freizeitreiterzucht ohne klares Ziel und ohne Anschluß an die internationale Zucht 2. Eine leider kleiner werdende Gruppe von ca. 5 bis 10 Züchter mit klarem Plan und Ziel, ein vielseitiges arabischen Reitpferd für Sport und Freizeit in guter Qualität zu züchten. 3. und in eine kleine Gruppe von 5-10 Züchter in Deutschland mit internationalem Anspruch. Die Gräben zwischen den Gruppierungen, die sich in der Regel in 2 Lager spalten, ist wohl kaum zu überbrücken. Deutschland als Zuchtland wird, so ist bei fortschreitender Entwicklung zu erwarten, qualitativ und quantitativ in die Bedeutungslosigkeit abfallen.
International sehe ich neue Länder, neue Märkte, wie zum Beispiel China. Da gibt es viele vermögende Leute, die sich für die Zucht und den Schaumarkt begeistern lassen. Diese Märkte werden jetzt bereits bedient. Aber wir Deutschen beschäftigen uns zu sehr mit uns selbst.
Die modernen Reproduktionstechniken – von Gefriersamen bis Embryotransfer in großem Maßstab – treiben die Globalisierung voran. Der Abstand zwischen Deutschland und der internationalen Zucht wird sich vergrößern, und obwohl Deutschland wirtschaftlich gut dasteht, wird es züchterisch, was die Araberzucht anbelangt, voraussichtlich bedeutungslos werden.
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AP: Worin sehen Sie die Entwicklung in Deutschland begründet?
B.Z.: Die Gründe dafür sind meines Erachtens:
1) Der dauerhafte Ausverkauf, der in den letzten 15 Jahren stattgefunden hat, und der Fluch und Segen für die deutschen Züchter bedeutete.
2) Die dauerhaften Probleme innerhalb unseres Zuchtverbandes VZAP, der mehr mit sich selbst beschäftigt ist, nicht richtungsweisend ist und nur mit der Vergangenheitsbewältigung zu tun hat. Es sind Gräben in der Züchterschaft entstanden, und potentiell vorhandene Energien wurden in falsche Bahnen gelenkt. Und obwohl wir den ANC ausrichten, wird dieser von den meisten Züchtern nicht angenommen, ja, sogar abgelehnt. Die Konkurrenzsituation mit zwei Zuchtverbänden für das Arabische Pferd ist ebenfalls zum Nachteil für eine positive Grundstimmung und schadet der deutschen Zucht insgesamt.
3) Es fehlte die Vorbildfunktion des Staatsgestüts. Eine sinnvolle Erhaltungszucht hat ebenso gefehlt, wie die züchterische Weiterentwicklung der „alten“ Weiler Zucht.
4) Und last not least: Die deutsche Mentalität. Es fehlt an Begeisterungsfähigekeit, stattdessen findet ein geradezu dogmatischer Kampf “Schau gegen Reiter” statt. Ich würde hier zu mehr Gelassenheit und Toleranz raten!
Als vorsichtige Zukunftsvision sehe ich: Sehr gute, qualitätsvolle Schau-, Reit- und Zuchtpferde lassen sich auch verkaufen, das sieht man weltweit. Aber bei der Schau wie beim Reiten gilt: Tierschutzrelevante Auswüchse müssen unterbunden werden, sonst nimmt die Reiterei, die Schauen und die Pferdezucht in den Augen der Allgemeinheit Schaden.
Was die Pferdezucht und -haltung ganz allgemein anbelangt, so gilt es zu bedenken, dass diese durch immer weitere Umwelt- und Tierschutz-Auflagen teurer wird, auch durch die Klimaveränderung! Wir haben beispielsweise durch Allwetterplätze darauf reagiert, dass anhaltende Regenfälle die Weidesaison einschränken. Dies aber kostet Geld. Die artgerechte Haltung wird die Pferdezucht in Zukunft noch weiter verteuern, was bedeutet, dass nur mit entsprechendem Kapital, das außerhalb der Pferdezucht erwirtschaftet wird, ein längeres Durchhaltevermögen möglich ist.
Wenn ich zurückdenke, welche Eigenschaften des arabischen Pferdes mich an diese Rasse gebunden haben, so waren es: der Charakter, die Menschenbezogenheit, die Schönheit – diese Faktoren haben sich immer wie ein roter Faden durch mein züchterisches Leben gezogen und diese Eigenschaften müssen wir vermehrt in den Mittelpunkt stellen, um diese Rasse zu vermarkten. Leider sind diese Eigenschaften nicht monetär quantifizierbar (wie es beispielsweise die Milchleistung einer Kuh ist) – sie zahlen sich erst spät aus und es braucht einen langen Atem bis man die Früchte seiner Arbeit ernten kann. Heute verkaufen wir etwa ein Drittel unserer Pferde auf Emfpehlung von früheren Käufern, oder an Leute, die gute Erfahrungen mit unseren Pferden gemacht haben.
Für meine eigene Zucht bin ich optimistisch und teile den in Deutschland herrschenden “Grundpessimismus” nicht! Im Gegenteil, ich freue mich auf die weitere züchterische Arbeit, denn mit jeder Generation kenne ich meine Linien und Pferde besser!

AP: Besten Dank, Herr Zimmermann, für das sehr interessante Gespräch, und alles Gute für Ihre kommenden Fohlenjahrgänge!
(das Interview führte Gudrun Waiditschka)