„Gerittene Pferde könnte ich immer verkaufen, die werden ständig nachgefragt”, sagt Doris Melzer. Und sie muß es wissen, denn sie züchtet schon seit über 30 Jahren Pferde für den Distanzsport. Ihr Marketing ist dabei ganz „einfach”: Sie reitet Ihre Pferde selbst im Wettbewerb, wo die Pferde Werbung für sich und ihre Zucht machen.
IN THE FOCUS: Frau Melzer, Sie züchten seit 20 Jahren ägyptische Rappen – warum haben Sie sich für Ägypter entschieden und warum für Rappen?
Doris Melzer: Im Prinzip mag ich Pferde aller Rassen und aller Farben und auch aller verschiedenen arabischen Zuchtrichtungen. Aber ägyptische Pferde übten schon immer eine Faszination auf mich aus. Ich habe jahrelang durch die Fotografie auf Schauen viele Araber gesehen und da haben mich Pferde wie z. B. ein Al Lahab oder ein Simeon Sadik sofort begeistert.
Wir kennen ja alle den Spruch „Ein gutes Pferd hat keine Farbe“ und das ist auch richtig so, aber wenn ich z. B. die Wahl zwischen einem Fuchs und einem Rappen von gleicher Qualität hätte, würde ich immer das schwarze Pferd wählen. Mein erstes Pferd war eine schwierige Shagya-Fuchsstute und die stieg bis zum Überschlag. Später hatte ich Pech mit einem Fuchswallach. Aber die Rappen haben mir immer Glück gebracht.
Wenn ich irgendwo eine Farm mit 100 Hektar und vielen Helfern hätte, würde ich vielleicht viele Pferde verschiedener Rassen und aller Farben halten, aber hier in Deutschland ist Weideland doch etwas begrenzter und auch teurer und das ist auch gut so, denn so halte ich meine Zucht seit Jahren in kleinem Rahmen und habe dadurch auch Zeit, mich um jedes einzelne Pferd liebevoll zu kümmern. Und dadurch habe ich mich auf das spezialisiert, was mir am meisten liegt und am besten gefällt: Ägypter mit Wander- und Distanzpferde-Eignung und nach Möglichkeit in schwarzer Farbe. Ich fotografiere ja lieber Schimmel und Füchse, aber die Rappen haben schon als Kind mein Herz erobert. Ich habe als Kind Draht zu Pferdefiguren geformt und mit bunter Wolle umwickelt und der Rappe stellte immer den schönsten Herdenhengst dar, der über „Berg und Tal“ stolz voranging. Vielleicht habe ich ja auch zu viele Filme mit Black Beauty und Co. gesehen …
ITF: Und trotzdem war ihr erstes „Herzenspferd“, der Hengst Al Azim, der bereits 1986 zu Ihnen kam, kein Ägypter. Warum haben Sie danach die Zuchtrichtung gewechselt?
D. Z.: Weil ich schon immer Ägypter züchten wollte und Al Azim war ja auch schon überwiegend ägyptisch, einerseits über seinen Vater El Abd und auch mütterlicherseits über Kaisoon und Ghazal.
ITF: Sie waren jahrzehntelang selbst im Distanzsport aktiv, bis hin zu dem legendären Ritt Wien-Budapest – 300 km in 3 Tagen. Was macht für Sie den Reiz dieser Sportart aus, und warum ist der Araber dafür prädestiniert?
D. M.: Der Reiz des Distanzreitens liegt für mich darin, dass man ganz lange und intensiv mit seinem Pferd zusammen ist, mit ihm einen ganzen Tag oder mehrere Tage auf einem Wettbewerb bei möglicherweise Wind und Wetter in verschiedenstem Gelände durch „dick und dünn“ geht, und dass das Pferd dann kein „Sportgerät“ ist, sondern ein echter Partner, ein vierbeiniger Freund, auf den man sich verlassen kann. Um anzukommen, muss man verstehen, was er braucht, was ihm gut bekommt und was eventuell nicht, man lernt sein Pferd auf so langen Strecken immer besser kennen und lernt auf es zu achten, man bildet ein Team mit seinem Pferd und wenn man mal so weit ist, würde man es auch nie mehr hergeben. Das Distanzreiten schweißt einfach Mensch und Pferd zusammen. Ich habe 12.000 Distanzkilometer erfolgreich geritten, darunter der legendäre Ritt Wien-Budapest, 300 km in 3 Tagen, darüber hinaus das Zig-fache an Trainingskilometern. Ich möchte keinen Kilometer davon missen und reite auch derzeit täglich, mindestens aber 3-mal die Woche, mit meinem Al Kharim Al Azim durchs Gelände.
Der Araber ist durch seine menschenbezogene Art und durch seine Lauffreudigkeit und seine meist guten Werte dafür prädestiniert.
ITF: Was muß ein Pferd mitbringen, um ein gutes Distanzpferd zu werden?
D. M.: Gute Beine, gute Hufe, gute Sattellage, also insgesamt ein gutes Gebäude und Fundament. Dazu elastische Bewegungen, Trittsicherheit, Lauffreude und Robustheit. Guter Charakter und ein möglichst ausgeglichenes Nervenkostüm, dem Fahrten, fremde Gegenden, fremde Eindrücke nichts oder wenig ausmachen. Ein Pferd, das überall zuhause ist und sich auch in den Pausen gut erholt und frißt und säuft. Vieles kann man auch beibringen und eine gewisse Routine kommt ja bei vielen Pferden auch im Laufe der Zeit. Eine robuste Aufzucht in der Herde mit abwechslungsreichen Weiden, die groß genug sind und viel Bewegungsanreiz bieten, sind vorteilhaft. Wir haben z. B. hügelige Odenwaldbergwiesen, da gibt es steinige Flächen und auch mal leicht sumpfige Stellen und da sind Steilhänge drin, die nicht einmal mit einem Traktor befahrbar sind und wo man als Mensch quasi nur auf allen „Vieren“ hochkrabbeln kann. Ein Bachlauf muss auf einer Wiese auch immer überquert werden, sodass die Pferde von Anfang an auch an Geländeschwierigkeiten gewöhnt sind und nicht einfach nur auf flachen Wiesen ohne Hindernisse aufwachsen. Die Fohlen werden bei uns vom ersten Tag an aufgehalftert und müssen dann auch bald hinter der Mutter her durch den Ort, durch den Verkehr, auf andere Weiden geführt werden. Dadurch sind sie bereits in zartem Alter an einiges gewöhnt.
Aber es gibt natürlich, wie überall im Pferdesport, Ausnahmen, die keine guten Voraussetzungen mitbringen und trotzdem laufen „wie die Weltmeister“.
ITF: Mit Kudaira Nuri Ibn Salaam haben Sie einen weiteren Rapphengst in der Zucht eingesetzt, diesmal ein Ägypter. Sein Sohn Al Kharim Al Azim ist ein weiteres Lieblingsreitpferd von Ihnen. Worin waren sich Al Kharim und Al Azim ähnlich, und worin haben sie sich unterschieden?
D. M.: Al Kharim Al Azim ist das Pferd, das Al Azim am nächsten kommt. Beide sind vom Charakter, von der Leistung, von der Zuverlässigkeit, von der Reiteigenschaft sehr ähnlich. Sie standen nachts Box an Box und tags Koppel an Koppel und wurden zusammen ausgeritten und waren echte Freunde. Als Al Azim starb, trauerte Al Kharim um ihn, wir litten gemeinsam.
Für mich ist Al Kharim eine Weiterentwicklung, ein Zuchtfortschritt, er ist typvoller, hat eine viel bessere Halsung und ist insgesamt ausdrucksvoller. Er hat raumgreifendere, elastischere Gänge und er vererbt sich besser. Al Kharim ist international viel gefragter und hat Nachkommen in vielen Ländern Europas, in Amerika und in arabischen Ländern.
Für mich stand immer fest, weder Al Azim noch Al Kharim, keinen von beiden hätte ich je hergegeben, nicht für alle Schätze der Welt, und gute Angebote gab es. Und Al Kharim werde ich hoffentlich noch viele Jahre haben, er ist ja noch jung.
ITF: Beide Hengste hatten großen Zulauf auch von Seiten anderer Züchter, was heute eher die Ausnahme ist. Worauf begründete sich ihre Popularität?
D. M.: Al Azim war in seinen jungen Jahren als gekörter und rennbahngeprüfter Hengst mit seinen sportlichen Leistungen schon eher eine Rarität. Auch Al Kharim Al Azim tritt als gekörter und leistungsgeprüfter Vollblutaraber-Rapphengst in seine Fußstapfen und viele Pferdeleute schauen ihn sich – nicht nur auf den Distanzritten – begeistert an. Da gibt es dann auch Empfehlungen von Reitern und z. B. Distanztierärzten, die auch selbst zu Deckkunden wurden. Al Azim hat über 6.000 Distanz-Kilometer zurückgelegt, Al Kharim hat bisher über 2.500 Kilometer erfolgreich absolviert, darunter auch seine Distanz-HLP. Für einen Hengst ist es immer etwas schwieriger, auf Distanzritten unterwegs zu sein, als es z.B. für einen Wallach oder eine Stute ist. Al Kharim hat 5 VZAP-Sportplaketten, 4 silberne und eine goldene, erhalten und er war mehrere Jahre in der VZAP-Distanzstatistik bester Hengst. Aber auch Stutenbesitzer, die mit Distanzreiten nicht viel anfangen können und einfach nur ein schönes Reitpferd für sich selbst züchten wollen, entscheiden sich für Al Kharim, wenn sie ihn im Vergleich mit anderen Hengsten sehen. Dies Jahr kamen z.B. Belgier, die sich zuvor andere Hengste u.a. auch in Frankreich angeschaut haben, und entschieden sich für Al Kharim und holten sich dann persönlich sein Sperma auf der Station ab.
Es laufen auch schon einige Al-Kharim-Töchter und -Söhne erfolgreich auf Distanzritten, so stand nicht nur seine Tochter Al Karima Al Azim schon ein paarmal in der Statistik, sie hat auch bereits eine silberne Sportplakette erreicht. Auch sein Sohn, der Hengst Al Ameer Ibn Al Kharim und die Shagya-Stute Sharima und Al Malika Al Azim laufen Distanzen. In Dänemark, England, Frankreich, Schweden und in der Schweiz sind auch Nachkommen von Al Kharim erfolgreich auf Distanzritten unterwegs. Im Distanzsport dauert es halt viele Jahre, bis erste Erfolge möglich sind und es ist daher für einen Züchter und Hengsthalter am zeitaufwendigsten, für diese Disziplin zu züchten. Man braucht schon einen sehr langen Atem.
ITF: Man sagt ja gemeinhin, dass die Stuten die Leistungsträger sind. Können Sie uns einige Ihrer besten Leistungslinien vorstellen?
D. M.: Ehrlich gesagt habe ich es nicht so explizit mit den Stutenlinien. Wenn überhaupt, dann würde ich sagen, die Linie, die auf die Rodania (bei den Ägyptern) zurückgeht, könnte für eine Leistungslinie stehen. Ich habe es vielleicht eher mit den Hengstlinien, auch wenn mir schon klar ist, dass der größere Anteil der Vererbung, etwa 60 %, oft von den Müttern kommt. Aber ich denke, es kommt weniger auf eine Linie an sondern auf die jeweiligen Pferde, die man nach Gebäude, Gängen, Charakter etc. miteinander paart, und die schaue ich mir schon sehr genau an, nicht nur die Eltern, sondern mindestens auch die Großeltern. Ich denke da schon auch in Generationen.
ITF: Wieviele Fohlen haben Sie in Ihrem Leben gezüchtet, und wo und wie finden Sie Käufer für Ihre Fohlen bzw. Pferde?
D. M.: Ich denke, ich habe schätzungsweise zwischen 50 und 60 Fohlen gezüchtet, davon fallen allein 20 für Al Azim, 13 für Nuri und bisher 10 für Al Kharim Al Azim an.
Die Käufer kommen in der Regel von selbst zu mir. Zum einen durch Empfehlungen von anderen Pferdeleuten und dann sind es auch Deckkunden, Züchter und Reiter, die schon ein Pferd aus unserer Zucht haben oder von einem unserer Hengste. Ich habe z. B. grade vor Kurzem ein Al-Kharim-Al-Azim-Hengstfohlen an eine Zucht verkauft, wo man schon eine Jährlingsstute von Al Kharim Al Azim besitzt und davon ganz begeistert ist, und z. B. eine Distanzreiterin, die schon lange eine Al-Azim-Tochter reitet, hat jetzt im November eine Al-Kharim-Al-Azim-Tochter gekauft, ebenfalls ein Jährlingsstütchen. Gerittene Pferde könnte ich immer verkaufen, die werden ständig nachgefragt, aber so viele Pferde habe ich gar nicht, denn ich züchte ja nur in kleinem Rahmen, so 2 bis 3 Fohlen im Jahr, und die Stuten bleiben meistens im Wechsel leer. Die Nachzucht wird überwiegend als Fohlen oder Jungpferd verkauft.
ITF: Die von Ihnen gezüchtete Al Alysha Al Azim hat in den Jahren 2013 – 2019 die meisten Sportpferdeplaketten unter den Distanzpferden errungen, ihr Vater Kudaira Nuri Ibn Salaam war der beste Vererber in dieser Auswertung. Die Sportpferdeplakette ist eine Möglichkeit, auf die sportlichen Leistungen der Pferde aufmerksam zu machen. Was sollte Ihrer Meinung nach von den verschiedenen Akteuren der Araberszene (Verband, Medien, Züchter, Besitzer) noch getan werden, um den Araber als Reitpferd zu fördern?
D. M.: Die Sportpferdeplaketten sind eine gute Entscheidung zur Förderung des gerittenen Arabers, vor allem weil es egal ist, ob die Reiter oder Reiterinnen Verbandsmitglieder sind oder nicht. Die einzelnen Pferde sollten mit Fotos und zumindest etwas Beschreibung mehr ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden und nicht bloß als nüchterne Liste dargestellt werden.
Die jährliche Distanzpferde-Statistik des VZAP basiert meines Erachtens auf einem falschen Prinzip. Da müssen die Reiter erst mal Mitglied im Zuchtverband werden und Beitrag bezahlen, um mit ihrem Distanz-Araber teilnehmen zu dürfen!! Ich kenne etliche, die deshalb die Erfolge ihrer Pferde nicht zur Auswertung schicken. Das ist so schade! Der Zuchtverband sollte sich über jedes arabische Pferd freuen und über jeden Reiter, der mit seiner Teilnahme Werbung für die Zucht des Arabers als Reitpferd macht, und dies bedingungslos fördern und nicht erst einen Mitgliedsantrag unter die Nase halten. Dies ist ein Zuchtverband und die Wertung sollte ausschließlich nach der Pferdeleistung erfolgen und nicht nach der Reiterleistung. Das führt dann zu so kuriosen Platzierungen, indem ein Araber z.B. mit einem Reiter auf einem der mittleren Plätze landet und das gleiche Pferd dann im letzten Drittel noch mal mit einem oder mehreren anderen Reitern erscheint. Würde die Wertung allein nach der Pferdeleistung gehen, könnte dieses Pferd vielleicht ganz vorne unter den Top Ten stehen. Und diese Pferde sollte man dann nicht auf der Seite suchen müssen, sondern sie sollten prominent und gut sichtbar gezeigt und belohnt werden. Ehrenpreise, Schleifen und Urkunden etc. finde ich dabei viel besser als Geldpreise, die hier an die Top Ten gezahlt werden. Das wäre auch ein Anreiz für Züchter und Besitzer.
ITF: In welchen Einsatzbereichen sehen Sie die Zukunft des Vollblutarabers?
D. M.: Ganz klar als Reitpferd für alle Arten der Freizeitreiterei, insbesondere fürs Wander- und Distanzreiten. In keiner anderen Pferdesportart liegt der Araber so klar in der Überzahl wie im Distanzreiten. Hier ist er in seinem Element und in keiner anderen Reitsportart ist er gegen andere Pferderassen so stark und so erfolgreich vertreten wie im Distanzreitsport, ob bei kurzen, mittleren oder langen Distanzen oder bei internationalen Wettbewerben bis hin zur Weltmeisterschaft.
ITF: Besten Dank für dieses Interview und weiterhin viel Erfolg auf der langen Strecke!
Das Interview führte Gudrun Waiditschka