Gedanken zur Pferdezucht und -Vermarktung (II)

Angelika Bruckner – Gestüt Bavaria Pferdesport

Angelika Bruckner züchtet seit fast 30 Jahren Arabische Pferde für den Distanz- und Reitsport. Sie hat den direkten Vergleich mit der Warmblutzucht, denn auch diese stehen bei ihr im Stall. Was wir von der Warmblutzucht lernen können, erklärt sie im folgenden Interview.

Angelika Bruckner

IN THE FOCUS: Seit wievielen Jahren züchten Sie Holsteiner und Vollblutaraber – und was sind die jeweiligen Zuchtziele?
Angelika Bruckner: Ich züchte seit 1991 Vollblutaraber und seit 2000 Warmblüter und im Prinzip sind die Zuchtziele bei beiden Rassen die gleichen: Die Pferde sollen bewegungsstark, leistungsstark, korrekt und rittig sein und einen einfachen Charakter haben.
Beim Vollblutaraber gilt außerdem, dass sie menschenzugewandt sind, sie müssen mir sozusagen von Geburt an “in den Schoß springen”. Was die Bewegungsmechanik anbelangt, so achte ich beim Vollblutaraber besonders auf den Galopp – da er immer schlechter wird bei einer Vielzahl der Vollblutaraber, die ich sehe. Ansonsten ist mir – beim Vollblutaraber mehr als beim Warmblut – die Härte wichtig. Die Pferde müssen einfach in der Lage sein, mindestens 80 km mit durchschnittlich 16 km/h unbeschadet zu überstehen, und zwar jeder!

ITF: Solch unterschiedliche Rassen ziehen auch unterschiedliche Käuferkreise an. Wie würden Sie die Käufer und Interessenten jeweils charakterisieren? Und wo liegt die jeweilige Erwartungshaltung dieser zwei Käuferkreise?
A. B.: Bei den Warmblütern verkaufe ich nicht auf Auktionen und nicht an Profis, aber an ambitionierte private Sportreiter, die ein braves Dressurpferd oder doppeltveranlagtes Pferd bis S-Niveau möchten.
Bei den Vollblutarabern sind es Freizeitreiter, die gehobene Ansprüche an Rittigkeit, Charakter und Leistungsvermögen stellen. Pferde mit “Schmelz” – nicht unbedingt Typ im Sinne von “Dish” – sind gut zu verkaufen, wenn der Leistungshintergrund passt. Auf den Leistungshintergrund habe ich immer geachtet. Die VA-Kundschaft will oft nur ein “braves” Pferd. Die Käufer können oft die Qualität gar nicht beurteilen, sie definieren Qualität nur über den Charakter.

ITF: Worin unterscheiden sich Ihre Marketingstrategien für die beiden Rassen – oder sind die für beide gleich?
A. B.: Beim Warmblut läuft die Vermarktung nur über dementsprechende Platzierungen im Sport. Bei einem Fohlen ist es wichtig, dass die Mutter Leistungsprüfung und Sport-
erfolge vorweisen kann, dazu noch etwaige Sporterfolge der (Halb-)Geschwister des Fohlens. Hengste sind ja immer leistungsgeprüft und die, die ich verwende, sind normal schon im höheren Turniersport erfolgreich. Fotos der Verkaufspferde sind eher sachlich mit aussagekräftigen Videos, die die Qualitäten der Pferde zeigen.
Beim Vollblutaraber muß mehr der Freizeitreiter angesprochen werden. Hier ist ganz wichtig, dass die Pferde arabisch dargestellt werden. Kaum jemand will unspektakuläre Fotos. Videos sollen ganggewaltige arabische Pferde zeigen. Reitvideos müssen genauso professionell wie bei den Warmblütern sein, reell englisch, western oder nach der FN-Ausbildungsskala gerittene Pferde, je nach Ausbildungsstand. In Facebook geht es hauptsächlich darum, schöne Fotos zu posten, News aus dem Gestüt oder von einzelnen Pferden etc. Auf meiner Website poste ich dann in erster Linie die sportlichen Erfolge, dabei ist darauf zu achten, dass alles übersichtlich gestaltet ist.

ITF: Worin besteht die Förderung bzw. Unterstützung für Zucht, Marketing etc. durch die Zuchtverbände für diese beiden Rassen?
A. B.: Ich bin Mitglied in zwei Warmblutzuchtverbänden. Der Holsteiner Verband unterhält eine eigene Hengsthaltung (Hengsthaltungs GmbH), deren Hengste man als Mitglied zu einer günstigeren Decktaxe nutzen kann, und als Verbandsmitglied wird man bevorzugt behandelt. Der Landesverband Bayerischer Pferdezüchter sponsert ausgewählte Stuten von vereinseigenen Züchtern durch Bezuschussung der Decktaxe von ausgewählten Hengsten.
Warmblutverbände unterstützen mit entsprechendem Marketing, Fohlenauktionen, und z. B. im Zug der Hengstkörung wird eine Auktion für gekörte und nicht gekörte Hengste veranstaltet, an der oft auch schon platzierte Reitpferde teilnehmen können.
Es werden Verkaufstage organisiert, und es gibt Sammeltermine zur Fohleneintragung mit Fotograf bzw. Videograf. In Bayern (bei München) wird außerdem ein Ausbildungsstall unterhalten, in dem man relativ günstig Pferde anreiten und/oder auf Leistungsprüfungen vorbereiten lassen kann.
Für den Vollblutaraber sind mir keine derartigen Förderprogramme von Verbandsseite bekannt.

ITF: Woran liegt es, dass beim Warmblut alles professioneller läuft – liegt das nur am Geld?
A. B.: Für das Warmblut gibt es einen viel größeren Interessentenkreis, die deutsche Warmblutzucht ist führend in der Welt, Dressur-Weltmeister. Der Araber spielt als Sportpferd hingegen eine untergeordnete Rolle, da die Rasse den Anschluß verpasst hat, durch die fehlende Selektion auf Sportleistungen.
Dem Reiter ist die Abstammung, wenn die Sporterfolge und das Pferd an sich seinen Ansprüchen gerecht wird, eigentlich egal. Mein Dressurausbilder hat einmal gesagt “Tun muß er es” – egal ob Schneehuhn x Seepferd oder sonstwie gezogen. Aber inzwischen werden schon beim Inserieren vom Käufer die Abstammungen auch angeschaut bei der Vorauswahl und ein bekannter (meist) Hengst verursacht einen “Aha-Effekt”. Das ist auch bei einem erfolgreichen Stutenstamm durchaus gegeben. Wenn eine Stute beispielsweise schon in M-Dressur erfolgreiche Nachkommen nachzuweisen hat, ist der Verkauf der Nachzucht schon viel leichter.

ITF: Haben Sie im Hinblick auf das Arabische Pferd Änderungs- und Verbesserungsvorschläge für Hengsthalter, Züchter, Käufer? Worauf sollte mit Hinblick auf die Vermarktung geachtet werden?
A. B.: Der Käufer sollte keine “Geiz ist geil”- Mentalität an den Tag legen. Um ein gutes Pferd zu züchten, braucht man viel Know-how, Mühe, Zeit und Geld. Kein verantwortungsvoller Züchter macht das umsonst oder legt noch gerne drauf. Natürlich kann ein Zufallsprodukt auch mal Qualität haben, aber das ist eigentlich eher selten.
Auch sollte sich der Käufer vor dem Pferdekauf gut über das Pferd informieren, da die Anschaffungskosten der geringste Teil im Laufe eines Pferdelebens sind. Wichtig ist beispielsweise, sich über die Eltern und Geschwister seines zukünftigen Partners zu informieren – sind da Pferde mit Leistungshintergrund vorhanden? Auch interessant für den Käufer ist: Wie wurde das Pferd aufgezogen, wurde es bereits geritten? Die Aufzucht sollte artgerecht sein, d.h. viel Luft, Licht, Bewegung mit Artgenossen, eher extensive als intensive Fütterung, da ein zu schnelles Wachstum auf Kosten der späteren “Haltbarkeit” geht.
Wer direkt vom Züchter kauft, sollte sich ruhig zeigen lassen, wo und wie die Jungpferde aufwachsen. Hierzulande ist das Klima für das arabische Pferd nur bedingt geeignet, vielfach ist es zu nass, sind die Weiden zu fett – das gibt weiche Pferde, die zu schnell in die Höhe wachsen und zu wenig Knochensubstanz haben. Das wiederum geht auf die Haltbarkeit, insbesondere des Fundaments. Dabei meine ich gar nicht die in unserer Überflussgesellschaft fettgefütterten Jährlinge. Beim Jährling oder Zweijährigen darf man durchaus auch mal die Rippen sehen, vorausgesetzt, es wird durch Bewegung verursacht, nicht durch Futtermangel oder falsches/schlechtes Futter.
Weiter entscheidet gute, harte Aufzucht mit über Gesundheit und auch Charakter. Damit die Jungpferde trittsicher werden, sollten sie das auf entsprechend hügeligen Koppeln schon von Fohlenbeinen an trainieren. Im Herbst ist das auf meinen Hügeln mit Lehm oft eine ganz schöne Rutschpartie und dazwischen liegen noch jede Menge Findlinge. Da schau ich schon mal weg, wenn die Junghengste Gas geben! Auch die Bodenbeschaffenheit der Weiden und Ausläufe ist wichtig, denn die Hufe passen sich dem Untergrund an – weiche Böden ergeben oft weiche Hufe. Große, lange Koppeln sind ideal, damit die Pferde laufen können. Ich hatte früher viel mit Traber-Züchtern zu tun, die haben die jungen Pferde täglich einmal im Speed um die Rennbahn geschickt und dann erst auf die Weiden, damit das Lungenvolumen schon von klein auf trainiert wird.
Ein anderer Aspekt, der meines Erachtens sowohl genetisch angelegt ist, als auch in der Aufzucht hervorgebracht wird, ist die “Resilienz”, die Leidensfähigkeit und Widerstandskraft. Meine Pferde müssen beispielsweise Fliegen im Sommer ertragen – aber heute sieht man kaum mehr ein Pferd ohne Fliegenmaske. Auf den großen Gestüten in Polen oder Russland gibt es das nicht. Da müssen sie sich an die Fliegen gewöhnen oder Stellen aufsuchen, wo es weniger gibt, oder rumrennen, um die Plagegeister loszuwerden.
Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass ein Pferd seinen Besitzer meist eine lange Zeit begleitet. Da ist es sehr viel einfacher, ein gutes, gesundes und begabtes Pferd auszubilden, als eines, das von Natur aus schon sehr viele Defizite hat. Und gerade je weniger man selbst kann, desto leichter ist die Ausbildung bei entsprechend qualitativ hochwertigen Pferden.
Der Züchter sollte nur mit korrekten Pferden, die auch Sportleistung bringen, züchten. Die Form des Kopfes ist da nicht wichtig, die Ausstrahlung schon! Hengst aus Reitpferdelinien verwenden und den Phänotyp nicht außer Acht lassen. Nicht jeder Hengst ist auch ein Deckhengst und nicht jede Stute eine gute Zuchtstute. Der Züchter sollte seine Pferde selbst reiten oder sich Feedback holen, von denen die sie reiten, denn die Rittigkeit – auch der Nachtzucht – ist wichtig!

ITF: Macht Ihrer Ansicht nach eine spezielle Sportförderung bzw. Sport-Datenbank für die Vermarktung des Arabischen Pferdes Sinn?
A. B.: Ja, eine Sportförderung ist der einzige Weg für die Zukunft des arabischen Pferdes, da die wenigen Schauliebhaber keine Käuferschicht darstellen, um eine Rasse dafür zu züchten. Die große Bandbreite der Freizeitreiter und ambitionierten Sportreiter (im Bereich bis Kl. L, Distanz) ist die größte Käuferschicht des Arabers, die es zu bedienen gilt, sowie Jugendliche mit entsprechenden Ambitionen.
Es wäre erstrebenswert, daß der Distanzsport zumindest ab LDR (d.h. CEN** 120 km) in der FN-Kategorie B läuft und damit automatisch in Deutschland die Erfolge über die FN erfasst werden. Ausländische Starts sollten wie im konventionellen Turniersport auch der FN gemeldet werden können und von dieser erfaßt werden, um einen umfassenden Überblick zu bekommen. Wenn jeder Verband nur die Daten seiner Mitglieder erfaßt, erhält man keinen aussagekräftigen Überblick über die gesamte Population.
Im VZAP weiß kaum ein im Verbandfunktionär überhaupt über den Distanzsport Bescheid. Aber das ist DIE Disziplin des Vollblutarabers überhaupt! Eine Disziplin, in der er international und gegen andere Rassen Erfolge sammeln kann. Für diesen Sport ist das arabische Pferd am meisten prädestiniert, schon allein durch seinen Körperbau, seine Härte und sein Lungenvolumen.
Vielleicht noch ein paar züchterische Gedanken in diesem Zusammenhang zum Schluß: Eigenschaften, die über Generationen nicht abgefragt werden, gehen genetisch verloren, so zum Beispiel Härte, Genügsamkeit, Lungenvolumen – die besonderen Eigenschaften des Vollblutarabers.
Etwas, was für mich schon weitestgehend verloren gegangen ist, ist der “will to please” (der Wille, alles recht zu machen), die Duldsamkeit, die die Beduinen früher sicher forderten und zwar gnadenlos.

ITF: Besten Dank für diesen Einblick und Vergleich mit anderen Rassen, eine Sichtweise, die den meisten Züchtern fehlen dürfte.Die Fragen stellte Gudrun Waiditschka