Wo Licht ist, ist auch Schatten

Eine Distanz-Weltmeisterschaft in der Wüste, da hatten viele ein ungutes Bauchgefühl. Und wenn auch einiges besser lief als gedacht, starben doch wieder zwei Pferde an den Folgen des Ritts.

Riders at dawn – FEI Endurance World Championship
photo: FEI / Jon Stroud

Nach der doch recht kurzfristigen Verlegung der Distanz-Weltmeisterschaft von Italien in die Vereinigten Arabischen Emirate, war die Aufregung Ende letzten Jahres groß – ausgerechnet in die UAE, das Land, welches so einen schlechten Ruf im Distanzsport hat? Als dann klar wurde, dass die Reise nach Bouthieb (oder Budheeb) gehen sollte, legte sich die Aufregung etwas, in der Hoffnung, dass der „Geist“ von Sheikh Sultan, dem Initiator eines pferdefreundlichen Distanzsports in den UAE, das Schlimmste verhindern möge.
Deutschland hatte fünf Reiter/Pferde-Paare zur Distanz-Weltmeisterschaft nach Bouthieb geschickt, von denen zwei die 160 km lange Strecke in Wertung absolvierten – eine tolle Leistung, auf die alle Beteiligten mit Recht stolz sein dürfen: Ursula (Uschi) Klingbeil mit Aid du Florival lag in der Endwertung auf Platz 23, Michaela Kosel mit MK Crystal auf Platz 44 von 123 Startern aus 36 Ländern!
Beste deutsche Reiterin bei dieser WM war also Ursula Klingbeil, ein „alter Hase“, da sie seit rund 30 Jahren national und international im Distanzsport aktiv ist, als Reiterin aber auch als Trainerin, FEI Tierärztin und FEI Richterin (bis 2023); seit 2012 organisiert sie mit ihrem Team Klingbeil auch CEI’s und CEN’s. Mit ihrer 16-jährigen Vollblutaraberstute Aid du Florival aus französischer Zucht konnte sie bereits die Weltmeisterschaft in Samorin 2016 mit dem 26. Platz beenden. Aid war unter Jule Klingbeil auch 2019 bei der Europameisterschaft in Euston Park dabei, wo das deutsche Team die Bronzemedaille holte. Dieser Erfolg hier „in der Wüste“ wird daher sicherlich als ein Highlight in Erinnerung bleiben.

“In der Wertung” ist, was zählt!

Michaela Kosel trat mit ihrem 13-jährigen Anglo-Araberhengst MK Crystal an, den sie selbst gezüchtet, ausgebildet und geritten hat – das können sicherlich nur die wenigsten der Teilnehmer von sich behaupten! Ihr bislang größter Erfolg mit diesem Hengst war der 2. Platz im CEI*** über 160 km in Samorin im letzten Jahr und ebenfalls ein 2. Platz über 120 km 2021 in Dänemark. Der Hengst, der auch im Zuchteinsatz steht, ist außerdem gekört beim VZAP (2014) und ZSAA (2016), sowie leistungsgeprüft in Marbach (ZSAA 2015) – solche Pferde braucht die Zucht! Sein Vater ist der Vollblutaraber Nadeshnij, der dieses Jahr seinen 30. Geburtstag feiert, und ebenfalls im Besitz von Michaela Kosel steht.

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Kommentar
Nun ist es also doch wieder passiert! Auch wenn sich kein Pferd auf der Strecke die Beine gebrochen hat, wie seiner Zeit Splitters Creek Bundy, so sind doch zwei Pferde nach dem Ritt (vermutlich) an den Folgen der (Über-)Anstrengung gestorben.
Schon bald nach dem Ritt wurde von „Clean Endurance“ auf die hohe Ausfallquote von rund zwei Drittel der Pferde hingewiesen. Nun kann dies bedeuten, dass die Tierärzte die Pferde besonders gründlich und kritisch überprüft haben, oder aber, dass die Pferde (zu) häufig bis ans Limit geritten wurden. Ebenfalls zu Stirnrunzeln haben zwei Fälle von „fail to complete“ im 5. bzw. 6. Loop geführt, wobei man hier nicht immer vom Schlimmsten ausgehen muß, denn wenn ein Reiter unterwegs auf einem Loop merkt, dass das Pferd nicht mehr recht vorwärts will, ist es besser auf dem Loop abzubrechen, als noch bis zum nächsten Gate weiterzureiten. Zumindest in einem Fall wurde das Pferd später am Flughafen bei der Heimreise gesehen.
In den beiden konkreten Fällen, wo die Pferde innerhalb von 12 bzw. 72 Stunden nach dem Ritt gestorben sind – was sehr nach einem „Erschöpfungssyndrom“ (exhausted horse syndrome) aussieht – hilft kein Wegsehen oder Relativieren. So etwas darf nicht mit dieser traurigen Regelmäßigkeit an der wichtigsten Veranstaltung, einer WM, passieren. Dieser Sport verliert zunehmend seine Akzeptanz nicht nur innerhalb der Distanzreiter Community, sondern vor allem im restlichen Reitervolk und der breiten Bevölkerung, wenn die Akteure nicht endlich akzeptieren, dass Geld (und Ruhm und Ehre) die falschen Ratgeber sind, wenn es darum geht, vom Partner Pferd Höchstleistungen zu fordern. Dieser Sport kann nur überleben, wenn ein Umdenken stattfindet und statt „höher, schneller, weiter“ das Pferd mit der besten Kondition gewinnt, so wie Sh. Sultan, der leider zu früh verstorben ist, um sein Werk zu vollenden, den Weg bereitet hat: Bei “seinen” Ritten wird das Pferd mit der besten Kondition belohnt – und das ist der springende Punkt! Um dies zu erreichen, wurde u.a. die Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h festgesetzt (und mittels GPS kontrolliert), und der Puls durfte höchsten 56 bpm betragen an allen Vetgates (dieser Wert kann auch dem Ritt entsprechend modifiziert werden).
An dieser Stelle sei ausdrücklich das deutsche Team gelobt, das alle seine Pferde wieder heil nach Hause gebracht hat, auch wenn sie teilweise nicht in der Wertung blieben. Aid du Florival hätte auch unter “Bouthieb-Regeln” bestanden, der Goldmedaillengewinner hingegen nicht, denn zum einen war er insgesamt zu schnell unterwegs, zum anderen wäre er wegen zu hoher Pulswerte ausgeschieden – aber ein ruhigeres Tempo hätte wohl auch zu niedrigeren Pulswerten geführt und insbesondere der Endspurt auf der Zielgeraten war unter physiologischen Gesichtspunkten mehr als nur kritisch zu sehen; so etwas würde durch die Bouthieb-Regeln ausgeschlossen – und das wäre gut so!
Wenn Distanzreiten als Hochleistungssport eine Zukunft haben soll, muß sich dringend etwas ändern. Das Image ist mittlerweile schon so stark beschädigt, daß nur eine 180°-Kehrtwende – also weg von “höher, schneller, weiter” hin zu “Best Condition” – noch etwas retten kann, das dauernde Herumdoktern an Symptonen führt nicht zum Ziel.
-gw-