Flucht und Vertreibung

Im Zuge meiner Recherchen zur Geschichte des Gestüts Achental in diesem Heft, fiel mir auch wieder der Artikel von Eberhardt Schultz in die Hände, in dem er über seine abenteuerliche Flucht während des Zweiten Weltkriegs aus dem Wartheland (heute Polen) über Dresden und Aussig nach Ansbach erzählt. Über 700 km hatten er und der ihm anvertraute Araberhengst Towarzysz Pancerny zurückgelegt, zahlreiche gefährliche Situationen hatten sie gemeinsam gemeistert, bei denen ihnen die Granaten und Gewehrkugeln um die Ohren flogen. Keiner hätte ohne den anderen überlebt.
Wir, die Nachkriegsgeneration, hat das ungeheure Glück, 77 Friedensjahre in den Staaten der Europäischen Union seit 1945 und damit die längste, ununterbrochen andauernde Friedensperiode in Europa zu erleben. Doch diese Beschaulichkeit wird seit dem 24. Februar durch die Kriegsbilder aus der Ukraine in ihren Grundfesten erschüttert. Historisch betrachtet entstanden auf dem Territorium der heutigen Ukraine einige der bedeutendsten Arabergestüte der Geschichte: Ohne Slawuta, Antoniny, Jarczowce, Bialocerkiew oder Sawran hätte es die polnische Araberzucht, wie wir sie kennen, nicht gegeben. Ohne diese, keinen Towarzysz Pancerny, der einem deutschen Soldaten die Flucht ermöglichte, und der als „Halef“ in die Geschichte der deutschen Araberzucht einging.
Wie damals, sind wieder Menschen auf der Flucht. Was mich dabei zutiefst beeindruckt ist, wieviele Ukrainer ihre Haustiere mitnehmen, um sie nicht in der Ungewissheit der Kriegswirren zurückzulassen. „Die Größe einer Nation und ihr moralischer Fortschritt kann danach beurteilt werden, wie sie ihre Tiere behandelt” (Mahatma Ghandi) – nicht nur in dieser Hinsicht zeigt sich derzeit die Größe des ukrainischen Volkes. Aber die Verzweiflung ist groß – so haben einige Pferdebsitzer ihre Pferde freigelassen, nachdem neben dem Stall eine Bombe eingeschlagen war. Andere sind mit ihren Pferden Richtung Rumänien geflohen – sie wurden bei einem Raketenangriff getötet, wie Equiwent berichtet. Der berühmte Hengst und Springpferdevererber Cornet Obolensky und sein Sohn Comme il faut waren im Gestüt Zhashkov zuhause – nur 150 Kilometer von Kiew entfernt. Es gelang, die beiden Pferde – und andere – nach Polen zu bringen, wo sie von Helfern aus dem Westfälischen Pferdestammbuch abgeholt und nach Deutschland gebracht wurden.
Wer die Pferde und Pferdehalter in der Ukraine unterstützen möchte, kann dies über zwei Hilfsorganisationen tun, die “Ukrainian Equestrian Federation Charity Foundation” und “Equiwent”. Es werden Hilfsgüter wie Heulage, Mischfutter und Späne benötigt, aber auch wer hier eine Unterbringung für Pferde aus der Ukraine anbieten kann, kann sich dort melden:

Spenden für die Pferde in der Ukraine

Millionen Menschen sind auf der Flucht vor der russischen Invasion und dem Krieg in der Ukraine. Um die Hilfsangebote für Menschen und Pferde vor Ort zu koordinieren, hat die Ukrainische Reiterliche Vereinigung (UEF) eine Stiftung gegründet und ein Logistikzentrum in Polen eingerichtet. Für die Versorgung der ukrainischen Pferde wird momentan um drei Arten von Hilfe gebeten:
+ Heulage in kleinen Paketen mit einem Gewicht von bis zu 20 kg
+ Mischfutter für Pferde (Müsli/Pferdefutter) in Säcken mit einem Gewicht von bis zu 20 kg
+ Späneballen bis zu 20 kg
Alle Lieferungen müssen über die UEF-Stiftung „Help Ukraine Horses“ koordiniert und über das Logistikzentrum in Polen abgewickelt werden. Zollverfahren sind dabei einzuhalten. Auf folgenden Wegen kann Kontakt zur Stiftung aufgenommen werden:
Vor dem Versand von Hilfsgütern an das Logistikzentrum ist die Stiftung über folgenden Link zu benachrichtigen: helpukrainehorses.eu/en/bring-supplies-en/
Dort ist auch die Adresse des Logistikzentrums zu finden.
Wer in Europa Hilfe bei der Unterbringung und Evakuierung von Pferden anbieten möchte, kann dafür dieses Formular ausfüllen: helpukrainehorses.eu/en/offer-help-en/
Alle Personen, die sich derzeit in der Ukraine aufhalten und Hilfe benötigen, sollten sich unter folgendem Link direkt an die Stiftung wenden: helpukrainehorses.eu/uk/ask-for-help-uk/
Auch die internationale Hilfsorganisation Equiwent/Schmiede ohne Grenzen hilft vor Ort in der Ukraine Tieren in Not: www.equiwent.org/ukraine
Wer den Menschen in der Ukraine helfen möchte, kann zum Beispiel an das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe spenden: www.aktionsbuendnis-katastrophenhilfe.de/
FN